Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1919, Blaðsíða 26
Zukunft nicht iu der Verbindung zu bleiben, wenn wir selbst etwas anderes
lieber wollten.
Viele glaubten wahrzunehtnen, daB wir uns auf dem Wege befanden, dem
Norden verloren zu gehen und nach Westen zu den angelsáchsischen Völkern
gezogen zu werden. Und Tatsache ist, daB dieser Gedanke gerade jetzt in
den Kriegsjahren sich immer mehr ausbreitete1. Man hatte ja so tnanche
guten Dinge vom Westen zu erwarten. Ein Teil des islándischen Volkes ist
schon nacb Westen iiber das Meer gezogen und er ist mit seinen dortigen Ver-
háltnissen wohl zufrieden2. Und es war der allgemeine Wille bei den Islándern
dort, daB wir ihnen auf ihrem Wege folgen sollten, das will heiBen, daB wir
die festesten Handels- und Geistesverbindungen mit der englisch sprechenden
Welt anknupfen sollten, wie auch immer die áuBere Form geordnet werden
wúrde. Doch unsere Frinnerung und unsere Geschichte zogen uns nach Osten
tmd Súdosten und wiesen naclr dieser Richtung. Unsere Kultur stammt aus
den nordischen Fándern. Dort liat sie ihre Wurzeln. Viele Bande der Ver-
wandtschaft ziehen uns dorthin und ebendorthin haben wir auch noch viele
andere Verbindungen, die abzubrechen einer groBen Zahl jetzt lebender Is-
lánder sehr nahe gehen wúrde. Doch die Fortsetzung des Verfassungskampfes
tnit den Dánen hátte unsere Gedanken mehr und mehr nach Westen ge-
wendet, trotz aller Grúnde, die die meisten von uns bestimmten, unser Schick-
sal lieber mit dem der nordischen Völker zu verbinden, als mit dem anderer
Völker. Das, was in Sachen unserer Selbstándigkeit im vergangenen Jahr ge-
schehen ist, hat hieraus seinen Ursprung und es heilt den Schaden, der sich
auszubreiten begann. Und alle Wahrscheinliclikeit spricht dafúr, daB die
Bewegung, die nunsostarkist.diedie Zusammenarbeitzwischendennordischen
Völkern fördern und ihre Verbindung auf den verschiedensten Gebieten kráf-
tigen will, eine groBe Zukunft hat.
Wir freuen uns selbstverstándfch darúber, daB wir die Souveránitát er-
langt haben. Aber doch ist sie in sich selbst nicht das Ziel, sondern nur das
Mittel zum Ziel oder der Weg zu ihm. Unser Ziel ist, unser Fand so viel wie
möglich wirtschaftlich und geistig emporzuarbeiten, unser Volk in kultureller
Hinsicht inöglichst zu entwickeln, seine Fage, seine Bildmig zu verbessern und
es zu stárken, damit es die Kostbarkeiten bewahren kann, die wir in unserer
Sprache, unserer Geschichte und in unseren Frinnerungen geerbt haben.
Nun kommt alles auf die Art und Weise an, mit der wir die erreichte Souve-
ránitát anzuwenden verstehen. Aus „Politiken" úbersetzt von S. Remertz
1 Die englischen BlockademaBnalimen wahrend des Krieges brachten Island in völlige
wirtschaftliche Abhangigkeit zu England. Verschiedene in den Mitteilungsheítcn der
Islandfreunde erschienene Artikel haben darauf hingewiesen. Anmerk. des Úber-
setzers. 2 In Canada leben etwa 50000 Islánder (gegen 85000 auf Island), beson-
ders viele in Winnipeg.
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