Mitteilungen der Islandfreunde - 01.01.1927, Qupperneq 24

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.01.1927, Qupperneq 24
„Nein, nein, Bruder Greipur 1“ lacht Siggas Papa — in dem Tonfall, in dem er spricht, wenn er meinen Vater „Bruder Greipur" nennt. „Aber trotz all seiner Unarten ging Skjóni doch wohl nicht so geradezu auf die Jagd nach Kindern, um sie zuschanden zu schlagen . . . Das meinte ich bloB!“ „Skjónis Fehler war nicht, dafl er ausschlug, sondern daB er zeitweise fromm war und dann so plötzlich ausschlug!" erklart mein Vater kurz und unwillig —' mir kommt die Erklarung sehr merkwiirdig vor. Indessen scheinen die anderen sie nicht ungereimt zu finden; jedenfalls sagt niemand etwas dawider. Hingegen lachen sie alle wie aus einem Munde, wie mein Vater hinzufiigt: „AuBerdem fehlte uns Leder zu Schuhen!" Ich begreife nicht, was es dariiber zu lachen gibt. Das ist doch ganz in der Ordnung, daB man ein Pferd totschieBt, wenn man Verwendung fiir seine Haut hat! Auch be- greife ich nicht, weshalb hiermit die Heiterkeit erschöpft zu sein scheint. Aber so ist es: der Kaffee wird schweigend genossen und ich kriege nur Pfannkuchen. Sobald der Kaffee getrunken war, gingen die ardern, welche nicht indas „Loft" ge- hörten, fort, und nur mein Vater und meine Mutter blieben zuriick. Madame Anna und die alte Begga nahmen auch noch dieWiegemit, worin meine kleine SchwesterBeta lag. Diese Schwester, rothaarig wie ich selbst, beschaftigte meine Gedanken stándig. Mitunter — selten nur — babbelte sie vor sich hin und bildete sich gewiB ein, sie spráche — und dann strahlten ihre blauen Augen und sie war súB und liebreizend. Zu anderen Zeiten jedoch brúllte sie gereizt wie ein junger Troll und verzerrte ihr Gesicht- chen dermaBen, daB ich beinahe Sigga Mens Glauben schenkte, die mir bei jeder Ge- legenheit die Versicherung gab, es sei ein Wechselbalg. Als mein Vater und meine Mutter allein im „Loft" zurúckgeblieben waren, saBen sie eine Weile und schwiegen und sahen sich nicht an. Mir tat der Kopf so weh. Das war schon die ganze Zeit der Fall gewesen — aber jetzt konnte ich es plötzlich nicht lánger aushalten. Ohne zu wissen weshalb, war mir auf einmal so unendlich traurig zumute. Ich fragte meine Mutter, was ich doch bloB mit meinem Kopf anfangen sollte, und sie gab mir ein Pulver, legte mich vorsichtig auf die andere Seite, kúBte mich und sagte, ich sollte schlafen. Als ich eine Weile gelegen hatte und mir schon seltsame Bilder vor den Augen zu flimmern begannen, hörte ich meines Vaters Stimme: „Meinst du auch, daB ich mich verkehrt betragen habe?" In dem kurzen Augenblick, wo ich darauf warte, daB die Antwort falle, werde ich hell-wach. „Ich weiB nicht recht," antwortet meine Mutter zögernd. „Nein — das meine ich wohl eigentlich nicht . . . Elch wollte nur, du háttest es nicht in der Erregung gotan." Eine wunderliche Traurigkeit ergreift mich. Ich öffne den Mund, damit meine Eltern nicht hören, daB ich weine. „So bin ich nun mal!" sagt mein Vater kurz darauf. „Du hast mich nicht heute zum erstenmal hitzig gesehen." „Mir macht das nichts aus," antwortet meine Mutter ruhig. „Ich kann es nur nicht ertragen, wenn die anderen etwas darúber zu reden haben." Da weiter keine Worte mehr fallen, werde ich immer unruhiger . . . Nach langer Zeit höre ich einen Laut von Lippen, die sich begegnen. Wonnige Ruhe durchrieselt mich. Die Tránen rinnen mir úber die Wangen und glátten sie. Ich fúhle mich so behaglich múde und, trotz der Schmerzen, so wohl . . . Bald darauf schlafe ich. GEDRUCKT IN DER FURSTLICH PRIV. HOFBUCHDRUCKEREI F. MITZLAFF IN RUDOLSTADT / VERANTWORTL. SCHRIFTLEITER PROFESSOR DR.W. HEYDENREICH, EISENACH, KAROLINENSTR. 24

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