Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1930, Blaðsíða 12
Von groQer Bedeutung endlich sind die Gjoven för die P/lanzenwelt der Fáröer.
Sie bieten den Pflanzen sowohl Schutz gegen den meist heftigen Wind wie auch gegen
die Weidetiere. Die Gjoven und die Holme vor den Kústen, auf denen die Schafe nicht
weiden, sind die Státten des úppigsten und schönsten Pflanzenwuchses. Die Farben-
pracht und Blútenfölle úppig grtiner und hochgewachsener Pflanzen, wie man sie sonst
auf den Inseln nicht zu sehen bekommt, weil durch die Schafweide der Pflanzenwuchs
niedrig gehalten wird, ist erstaunlich. So wurden in einer Gjov auf Suderö 187 ver-
schiedene Arten beieinander festgestellt, eine sehr groBe Zahl fúr ein so artenarmes
Land wie die Fáröer. Besonders die von Báchen durchflossenen Gjoven und dort wieder
die Eingánge und die oberen Teile der Wánde mit ihren Spalten, Klúften und Absátzen
sind der Standort zahlreicher wildwachsender Pflanzen. Namentlich Gewáchse, die
gedámpftes Licht und Feuchtigkeit lieben, finden sich dort. Die Inlandgjoven sind
stellenweise die Státten öppigster Vegetation, wáhrend die Kústengjoven meist glatte
Wánde haben, namentlich im Bereich der hoch hinaufreichenden Brandung. Ostenfeld
unterschied eine eigene Gjov- und Klippenvegetation, deren Pflanzen drei- bis fúnf-
mal so hoch werden, wie die an den Stellen, wo die Schafe weiden können. Die Gjoven
sind die Hauptfundstátten der im Freien wachsenden Pflanzen. Sie geben einen Be-
griff davon, wie úppig und unvermischt die Pflanzenwelt der Fáröer auch an anderen
Stellen sein könnte, wenn sie nicht durch die Schafweide verkúmmert wáre. Manche
dieser Gjoven haben von dem Reichtum grúnender Pflanzen auch ihre Namen bekommen
(Grune Gjov, Gjov des grönen Tales, Engelwurz-Gjov).
Peacock hat die Gjoven in erster Linie vom geologisch-tektonischen Standpunkt aus
betrachtet und geht auf die geographische Bedeutung der Erscheinung, namentlich
ftir den Menschen und ftir die Pflanzenwelt, die ich in meinen Arbeiten náher behan-
delt habe, nicht ein. Was nun die Herkunft der Gjoven anbetrifft, so nimmt er an
— wie ich dies schon frúher ausgesprochen habe —, daB sie ausgewitterte vulkanische
Gánge, erweiterte Spalten und Bruchlinien in dem einst zusammenhángenden Thule-
Basaltplateau des Nordatlantischen Ozeans sind, von dem die Fáröer heute nur noch
ein kleiner, in Inseln aufgelöster Rest sind. Die Brúche wieder sind seiner Ansicht
nach durch Spannungen, vor allem durch drehende Spannungen (Torsionsbewegungen)
in den Basaltdecken entstanden. Dadurch wurde das Plateau von einem Netzwerk
von Rissen durchzogen. Das Gjovsystem wáre also eine Folge drehender Krusten-
spannungen, deren Hauptspannungskomponente annáhernd in Nord-Súd-Richtung
liegt, wodurch Risse und Brúche senkrecht dazu, also annáhernd in Ost-West-Richtung
entstanden. Zahlreiche Gjoven haben diese Richtung, aber es gibt auch genug andere
in anderen Richtungen, am wenigsten allerdings in Nord-Stid-Richtung.
Die heutigen Gjoven sind júnger als die Fjorde, die wahrscheinlich aus der Pliozán-
zeit stammen. Viele Gjoven durchsetzen die Abhánge der Fjorde und Sunde und können
erst spáter entstanden sein. Nach der Meinung Peacocks sind die Brúche, die das gegen-
wártige Gjovsystem verursachten, nicht álteralsglazial, aller Wahrscheinlichkeit nach
sogar postglazial. Wie schon James Geikie zeigte, befinden sich die Fáröer gegenwártig in
Senkung, weil ihre Unterlage nachgibt. Diese Senkung des Plateaus geht ungleich-
máflig vor sich, wobei durch innere drehende Spannungen ein Netzwerk von Brúchen
erzeugt wurde, deren Auswitterung wieder zur Bildung der Gjoven AnlaB gab.
Solche Brtiche und Gánge stehen vielleicht auch in Beziehung zur Bildung der Fjorde
und MeeresstraBen. Schon Mackenzie vermutete 1812, daB die langen, geraden, paral-
lelen Sunde zwischen den Inseln durch das Auswittern grofier Gánge, also tektonisch
entstanden seien. James Geikie zeigte, daB die Fáröer in der Eiszcit eine eigene Ver-
gletscherung hatten, die der vorglazialen Topographie folgte. Nach ihm ist das Fjord-
system durch FluBerosion und in geringerem Grade durch Glazialerosion entstanden.
Da die Fáröer sich gegenwártig senken, schlieBt er, daB die MeeresstraBen und Fjorde
untergetauchte und úberschwemmte Táler sind, die durch das flieBende Wasser, das
nach Nordwesten und Súdosten rann, von der allgemeinen Wasserscheide aus einge-
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