Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1930, Blaðsíða 15
Regen und Nebel und manchem anderen noch! Wir phantasierten, mein alter Regi-
mentskamerad, spáter der erste und auch der einzigste Kriegsinspekteur der preufii-
schen Militár-Fliegerei, Oberstleutnant Siegert: Welch grundlegende Veranderungen
wiirde das Militár-Flugzeug dem modernen Heerftihrer, Strategen und Taktiker bringen
als Aufklárer, aber auch als Angreifer.
Uns schienen Schlachten des alten Systems vergleichbar dem schönen, beliebten
Kinderspiel „Blinde Kuh“ oder „Topfschlagen mit verbundenen Augen". Wir dach-
ten aber auch weiter an friedliche Zwecke! Ahnten, daö ein Luftverkehr Raum und
Zeit zur Illusion machen miiBte, als ein 20, höchstens 50 PS-Flugzeugmotor gang und
gábe war, und Hirths 100 PS siegreicher „Mercedes" im „II. Prinz-Heinrich-Flug"
am Oberrhein 1911 fast unfaBbar erschien. Da kamen wir Uberein, ein deutscher Luft-
verkehr — heute sagen wir wohl besser ein europáischer —, wáre einem Fliegenbrummer
zwischen Doppelfenstern gleichzuachten.
Aber unser Gedankenflug ging weiter: Malta war es. Fur den weltbeherrschenden
Englánder — neben der militárisch-maritimen — auch von derselben Bedeutung fúr
seine kommenden Luftverbindungen nach Ágypten, Súdafrika, Indien und Australien,
aus Verkehrs- wie auch Sicherheitsgrúnden im Rahmen seiner Kolonialmacht nebst
Dominions.
Wir warfen aber auch unsere Blicke westwárts, uber den „groBen Teich", kamen úber-
ein, daB nach den anhaltenden Erfolgen des Grafen Zeppelin einer Uberquerung des
Ozeans im Luftschiff ohne Zwischenlandung in spáteren Zeiten durchaus nichts im
Wege stánde, aber mit dem Flugzeug? Und auch heute noch, nach reichlich zwei Jahr-
zehnten, sind wir in der Lösung dieser Frage, welchem Luftfahrzeug im Zukunfts-Welt-
Luftverkehr der Vorrang gebúhren wird, kaum um einen Schritt weiter gekommen, so
daB also der alte Kampfruf: „Hie Flugzeug —
Hie Luftschiff"
aus der Vorkriegszeit, damals lediglich vom militárischen Standpunkt aus betrachtet,
heute jedoch nur im friedlichen Sinne, eines Weltluftverkehrs, weiter besteht. För-
dernd hierin wirkten die Kampferfahrungen bereits aus der allerersten Zeit des Welt-
krieges dahin, daB Luftschiffe als Kriegshandwerkszeug mit fortschreitender Erdabwehr
und Vervollkommnung der Fliegerei ausgespielt haben. MuBten doch viele Hunde
jedes Hasen Tod werden!
Und nun war es Island, das heute 1000 jáhrige, welches uns bereits damals fúr einen
kommenden Weltluftverkehr mit Flugzeugen — Dank seiner von der Natur gegebenen
Lage — als das „nordische Malta" eines Transozean-Luftverkehrs von Wichtigkeit
zu werden schien. Darúber vergingen Jahrzehnte, Jahre des Weltkrieges, Jahre der
Sorge wáhrend der ersten Friedenszeit, als ich — Sommer 1926 — von der „Grúnen
Insel" Siegerts erste Nachrichten erhielt. Seine Fahrt galt Erkundungen, luftverkehrs-
technischen Interessen. Aber schon frúher hat Island Anteil genommen an der Lösung
der Nordarktis-Forschung im Interesse der Luftfahrt: Vor Frederik Fischers Haus
am Strand trieb am 14. Mai 1899 eine Boje an, die Andrées eigenhándig geschriebene
Nachricht vom ix. Juli 1897 úber seine Nordpol-Freiballonfahrt enthielt. Sie war
also fast zwei Jahre in Grönlands Eismeer geflutet, ehe sie der Kulturwelt Nachricht
der kúhnen Polforscher bringen sollte, deren Leichen nach einem Dritteljahrhundert in
diesen Tagen aufgefunden worden sind. Der Gedanke, diese nordwárts gelegene Strecke
und die Ausnutzung der immerhin gefahrvollen Uberseestrecken úber den Ozean auf
ein MindestmaB zu beschránken, wurde bereits 1924 in die Tat umgesetzt gelegentlich
des I. Weltrundfluges, den die beiden amerikanischen Fliegeroffiziere Nelson und
Smith vom 17. Márz bis 8. September, also rund in einem halben Jahr von Kalifornien
aus úber Japan—Indien—Europa—Island—Grönland—New York—Washington zu-
ruck nach Santa Maria ausgefúhrt und dabei 41 800 km zurúckgelegt haben mit einem
400 PS Liberty-Motor!
Im selben Jahr war es der Italiener Locatelli, der innerhalb von vier Wochen von
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