Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1930, Blaðsíða 22
bröchen, die das Klima und die Wetterlage Europas maBgebend beeintrachtigen. Diese
Feststellungen werden auch fiir die Gesamtschiffahrt allgemein insofern von besonderer
Bedeutung werden, als ihre Bedrohung durch Eisberge in unmittelbarem Zusammen-
hang steht mit der Eisbergproduktion der Gletscher in der Nordarktis. Weniger be-
kannt ist, daB der Boden unseres norddeutschen Tieflandes die Grundmorúne des
eiszeitlichen Inlandeises darstellt. Die Expeditionsarbeiten werden demnach auch
fúr unsere heimische Bodenforschung von Wichtigkeit werden. Zur Messung der Eis-
dicke wird eine neue geophysikalische AufschlieBungsmethode verwendet, mit deren
Hilfe man hofft, auch der Lösung bergbaulicher Fragen náherzukommen.
War nun die Nachricht der letzten Tage voll der Úberraschung, daB die auch in
der Arktis auBergewöhnlich warmen Sommertage Andrées und seiner Gefúhrten Leichen
der Kulturwelt wieder zurúckgegeben haben, um so mehr die Kunde der letzten Stunde,
wonach die Eisverháltnisse in Scoresby Sund in Ost-Grönland derartig abnorm un-
gúnstig sind, daB auch in den heutigen Augusttagen noch viele Eisberge und geschlossene
Eisfláchen jeglichen VorstoB unserer deutschen Forscher in das Innere verhindert
haben, weil das Motorboot bereits innerhalb weniger Minuten im Eise festfror und erst
nach stundenlanger Arbeit wieder frei zu bekommen war. Sollte bis zum Winter die
Expedition hier am Ausgang des Scoresby-Sund festgehalten werden, so wúrde dies
der Verlust eines ganzen Jahres bedeuten, da die verschiedenartigen Messungen an
den Randgebieten des Inlandeises von weit gröBerer Bedeutung sind als die an der
Kúste, womit die Wartezeit im Augenblick ausgenútzt wird.
Wir sehen aber weiter, welche bedeutsam wichtige Rolle gerade Island schon bei
diesen Forschungs- und Vorarbeiten, als dem náchstliegenden Kulturland, heute und
um wieviel mehr noch in Zukunft zufallt. Diese kurzen, der Raumverháltnisse halber,
in der Hauptsache lediglich auf Andeutungen beschránkten Zeilen zeigen aber schon,
mit welchen groBen Schwierigkeiten der kommende nordarktische Weltluftverkehr zu
rechnen hat. Erfreulich fúr uns Deutsche, daB in Theorie wie Praxis, trotz aller Not,
die unser Vaterland gerade jetzt aufs Hárteste bedrángt, die deutschen Wissenschaftler
im engsten Verein mit dem deutschen Flugtechniker maB- und ausschlaggebend an
erster Stelle mitwirken dúrfen. Hoffen wir daher, daB — dank ihrer beider Hilfe —,
so phantastisch fúr den Augenblick es klingen mag, doch bald zur Wirklichkeit wird,
der Fernsprech-Ruf:
Hallo, Hallo,
Good by,
Ist noch ein Platz frei nach London—Reykjavik—Alaska ?
Bitte belegen!
VI. FAHRT INS INNERE ISLANDS
Von Friedrich Kúmel, Wien
Wer in den inneren unbewohnten Teil Islands will, muB sich Pferde und einen
islándischen Fúhrer mieten. So steht in jeder Anleitung zu lesen.
Kleine muntere Islánderpferde, braun, fahl und scheckig — eilig trippeln sie auf
ebenem Wege daher, behutsam steigen sie úber alle Hindernisse im unwegsamsten
Gebiet. Wer wollte ihr Verdienst nicht anerkennen an der Erkundung und Erforschung
der Sandfláchen, Lavawústen, Eisgebiete im Innern des Landes ?
Und doch, man kann auch anders durch Island ziehen: nach Wandervogelart, mit
Rucksack und Goiserern. So haben wir zwei es gemacht.
Bis Thingvellir verkehrt táglich mehrmals ein Auto. Wenn man will, kann man sich
sogar bis zum Geysir rumpeln lassen. Viel weiter nicht.
Nach wenigen Tagereisen zu FuB konnten wir unser Zelt bereits am Ufer der Hvítá
aufstellen, dem Strom, der die Schmelzwásser zweier der gröBten Gletscher zutale
fúhrt. Im Hof Tungufell beschwerten wir unsere Rucksácke mit solchen Massen von
Butter und schwarzem Roggenbrot, daB wir uns eben noch aufrichten konnten. Bald
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