Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1931, Blaðsíða 11
Besonderes und Seltenes ist. Das gab der Aldingsfeier ibre Tiefe und rhre
Höhe. —
Nach dem Feste wanderte ich mit meiner Frau durch das Westland
und das Nordland bis zum Mývatn. Wo man jemanden auf einsamem Pfade
oder beim Máhen traf oder wo man auf einen Hof kam, immer war die erste
Frage: „Wart ihr auf Þingvellir? War die Feier gut?“ Und wenn man das
nur bejahte, dann kam ein stolz-befriedigtes Nicken zuriick. Es war eine
Herzensangelegenheit aller im Eande. Im Skagafjörður machten wir eine
von mehr als tausend Menschen besuchte Bezirksfeier mit. Die war wie
ein Echo von Þingvellir. Ein Bauer erzáhlte vom Rednerhiigel herunter
denen, die zu Hause hatten bleiben miissen, von ihrem Ritt iibers Hoch-
land und der Feier auf Þingvellir. Er danke Gott, daB er dies habe erleben
diirfen. Dann erhob sich der alte Jonas von Hofdalir — auch er hatte nicht
mitreiten können — und sprach ein eigenes Gedicht. Der Wind wehte ihm
seine grauen Haarstráhnen um die Stirn, seine Augen bhckten scharf und
gerade auf die Hörer unter ihm — so sprach er laut und klar gute, schwer-
fallende Strophen in eddischem MaJB. So steht auf Island noch heute der
Dichter mit beiden FiiQen in seinem geistigen Erbe und in seinem Volk. —
Als wir nach Kiel zuriickkamen, trafen wir unseren Freund Kristinn, ein
junger islándischer Magister, der seit Anfang des Jahres zu wissenschaft-
hchen Arbeiten in Deutschland weilt. Den hatte wáhrend der grofien Feier
auf Island solches Heimweh gequált, dai3 er lange nicht hatte arbeiten können.
Noch jetzt, nach fiinf Wochen, hatte er sich nicht davon erholt.
So feierte ein ganzes Volk den grofien, symbolisch erlebten Augenblick
seiner Geschichte. Wir hoffen, daö den Islándern dieses starke Erlebnis
ihrer inneren Eigenmacht und der daraus erwachsenden geistigen Aufgabe
tiichtig hilft zur Úberwindung der schweren inneren Krise, in die ihr Volk
mit allen anderen Völkern Europas hineingedrángt worden ist. Es ist der
Geist von Þingvellir, um dessentwillen wir das islándische Volk hochachten
und lieben.
Kiel Reinhard Prinz
III. 'ISLENDINGA DRÁPA, HAUKR VALDÍSARSON
VERFASSTE SIE1
Die 'Islendinga drápa des nur in der t)berschrift der Dichtung selbst genannten,
sonst aber nicht belcannten Haukr Valdísarson ist uns leider unvollstándig und
nur in einer Handschrift erhalten. Sie gibt sich als eine Aufzáhlung sagenberiihmter
islándischer Helden, die meist dem io.—n. Jahrhundert angehören. Theodor Möbius
hat die Dichtung 1874 in Kiel zur Jalirtausendfeier der Besiedlung Islands mit An-
1 Der Dichter nennt sich nach der Mutter Valdís.
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