Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1931, Blaðsíða 12
merkungen herausgegeben, die von bester Sachkenntnis und einer bei den damaligen
Mitteln hervorragenden Gelehrsamkeit zeugen. Wenn hier versucht wird, die Drápa
in metrischer Form zu ubersetzen, kann wohl manche Strophen- und Wortauffassung
bestritten werden; fiir die nahere Kenntnis der besungenen Personen und Verhaltnisse
bleibt die Ausgabe von Möbius maBgebend. Finnur Jónsson, der sie natiirlich auch
in seiner Skjaldedigtning beriicksichtigt (I, 539), setzt die Dichtung selbst in seiner
Literaturgeschichte (XIa, 109) eher ins 12. als ins 13. Jahrhundert, und betrachtet sie
als Drápa, obwohl sie keinen Kehrreim (stef) hat und dieser auch nicht gut erst mit
dem verlorenen SchluB fortgefallen sein kann. — Die in der islándischen Volksiiber-
lieferung lebenden beriihmten und bedeutenden Helden Islands zusammenzustellen,
war eine Aufgabe, die auch nach der Einfuhrung des Christentums in Island groBen
Anklang finden muBte, da noch viele in den Zeiten, da man an die heidnischen Götter
glaubte, die Bliite des Landes zu sehen und sie in der Erinnerung zu bewahren sich
bestrebten. So ziehen in dem Gedichte in der Tat, wenn auch nicht alie, so doch die
bedeutendsten Gestalten an unserem Auge vortiber, ohne die des alten Islands Ruhmes-
geschichte nicht zu denken ist.
Lödurfreund1 will ladend
Nahn, wofern nicht, Mannen,
Wein des Raben2 wáhlend
Ihr verwerft den Zwergtrunk3.
Mit Ohrs Munde möge
Schildbaum4 mild der hohen
Haselhauptes-Rekken'
Tingmet heute trinken.
2
Walheimshaut-Bewohner1
Kann’ ich, will sie nennen,
Die mit Mannes Milde
Riesen-Mut2 bewiesen.
Gar so gern ich’s wollte.
Grundseilhortes Njorðe3,
Spricht des Speerkampfs Ahorn*,
Lauscht gespannt und schweigetl
3
Bang gings Volk zum Gerkampf
Hundings1 im Schnee-Grunde2;
Brachten Speersturms Brausen
Doch Broddhelgis3 Elche*;
Eh Kampfs grimmen Griindling1
Geitir* hob zum Streite:
Da sank Sörlis7 Esche,
Sein tatmut’ger Vater.
4
Greitir brach Buchtwagen-
Fahrers1 Macht, doch Bjarni3
Gab dem RoB der Riesin3
Rasch sein Blut, der Mut’ge.
Spruch Felsgestills* fordernd,
Hold dem Wolf er fállte
Meist sie, die mit libten
Mordtat an dem Vater.
5
Mut zeigt’ frischen Frauen
Fels-Atlis1 Thorketill2
Tat ihn kund im Kampfe,
Kiihn bereit zum Streite;
1 1 Oðin, der Schenker der Dichtermets. 2 Das Blut der Schlachten. 3 Das Gedicht.
* Der mit dem Schild bewaffnete Krieger. 6 Der Asen. 2 1 Der Walfische Heim,
das Meer, dessen Haut das Eis, die Bewohner des Eises: Islánder. 2 Eigentlich Fels-
fraunsturm = Mut. 3 Grundseil, die am Boden sich wie ein Seil windende Schlange,
ilir Hort das Gold, der Njorðr des Goldes der máchtige Kámpfer, Anrede an die Zu-
hörer. * D. h. ich, der Dichter. 3 1 Ein mythischer Seekönig. 2 Island. 3 Islándi-
scher Háuptling im Vápnafjord (östl. Island). * Schiffe; das Schiff wird, wie sonst
Hengst, hier Elch genannt. 6 Eine Art Fisch, hier Umschreibung des Schwertes.
0 Geitir aus Krossavik, der seinen Schwager Broddhelgi (Str. 3) erschlug. 7 Ein jtin-
gerer Sohn Broddhelgis. 4 1 Broddhelgi (als Schiffsftihrer7). 2 Broddhelgis Sohn.
3 Dem Wolfe. * Name eines Gebirgsriesen, sein Spruch gibt Gold. 5 1 Den Sturm-
riesinnen des mythischen Sagenhelden Fels- (Hraun) Atli. 2 Thórkell Geitirs (Str. 4)
Sohn; er wurde wie Broddhelgis Sohn Bjarni (Str. 4) beim Rachekampf schwer ver-
wundet, dieser lieB ihn durch seinen Arzt heilen und versöhnte sich mit ihm.
Thule XII, 44.
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