Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1931, Page 1
MITTEILUNGEN DER
ISLANDFREUNDE
ORGAN
DER VEREINIGUNG DER ISLANDFREUNDE
HERHUSGEBER PROF. DR. W. HEYDENREICH IN EISENflCH
VERLfíG VON EUGEN DIEDERICHS IN JENA
XIX.Jahrg. Heft2 Oktober—Dezember 1931
Die MITTEILUNGEN DER ISLANDFREUNDE erscheinen als Vierteljahrsschrift
und werdenden Mitgliedern der Vereinigungkostenlos vom Verlage zugesandt.
I. DER ZUSAMMENHANG
IN DER ISLÁNDISCHEN LITERATUR
Von Sigurður Nordal
Die Einheit und der Zusammenhang in der Sprache und in der Bil-
dung der Islánder (von der áltesten Zeit bis heute) ist kein Zufall.
Diese Geschlossenheit ist uns nicht erhalten geblieben, weil wir geschlafen
hátten oder weil wir abgeschieden sind von der ubrigen Welt; wir sind
kein Dornröschen unter den Völkern; gleich dem Wáchter auf hohem Berge
haben wir gewacht iiber diesem Gute, Schaffende und GenieBende haben
hier zusammengehalten. Es wáre keine Úberhebung, die Islánder als das
úiteraturvolk der Welt zu bezeichnen — nicht, als ob sie die gröBte Menge
vollkommener Werke geschaffen hátten, obwohl sie auch darin auBer-
gewöhnlich weit gekommen sind —, sondern weil kein anderes Volk, im
Verháltnis genommen, der Literatur so viel von seinen Kráften hingegeben
hat, von seiner Liebe und seiner Innerlichkeit, weil kein Volk auch so viel
Trost daraus geschöpft hat, so viel Tapferkeit und Stárke. Vielleicht hat
die Geschichte der Menschheit kein Beispiel, das greifbarer ist, welch eine
Quelle der Kraft und was fiir ein Mittel gegen das Altwerden die geistige
Tátigkeit ist, mögen auch manche Werke, die geschaffen, gelernt und ge-
lesen werden, weder von tiefem Inhalt noch vollkommen in der Form sein.
Das literarische Erbe des islándischen Volkes ist jedocli kein Ruhe-
kissen, auf das es sich legen könnte, um von vergangenen Zeiten zu tráumen.
Wir miissen damit rechnen und uns darauf riisten, daB auch in der Zukunft
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