Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1931, Síða 3
zeigen, als mit dem Islándischen, das die álteste lebende Kultursprache
unseres Erdteils ist.
Weshalb aber sollen wir diesen Zusammenhang bewufit bewahren? Ist
das nicht nur Ehrgeiz ? Allerdings ist das Ehrgeiz. Die Geschlechter,
die hiernach dieses Gut verkommen lieBen, wiirden unerhört beruhmt
werden, es sei denn, daB die spáteren noch kummerlicher wáren. Alles Volks-
tum ist in hohem Grade eine Angelegenheit des Herzens. AuBer dem Ehr-
gefiihl aber lassen sich auch verstandesmáfiige Griinde dafiir beibringen,
daB die Islánder gut daran tun, sich des Zusammenhanges und der Einheit
ihrer Kultur voll bewuBt zu bleiben, indem sie ihre Eiteratur und deren
Geschichte von Anfang bis Ende kennen und indem sie dieses Erbe im
Auge behalten, wenn sie Neues schaffen.
Aus der Einleitung zur I’slenzk Lestrarbók 1400—1900,
Reykjavík 1924, IV, S. XXVIII—XXIX. tibers. von R. P.
II. GUNNAR GUNNARSSONS WENDUNG
BEMERKUNGEN ZU SEINEM NEUEN BUCH „JÓN ARASON" 1
unnar Gunnarssons letzter Roman „Jón Arason", enthált alle Vor-
VJziige, die ein jedes seiner Werke, seit dem Erscheinen des ersten Ban-
des seiner groBen Kindheit- und Jugendgeschichte, „Die Kirche auf dem
Berg," ausgezeichnet haben. Mit diesem (bisherigen) Hauptwerk hebt im
Schaffen des Dichters eine neue Periode an, die sich ganz wesentlich von
seiner ehemaligen Produktion unterscheidet. Die Wandlung lieBe sich durch
mehrere verschiedene Merkmale charakterisieren; was sie jedoch am auf-
fallendsten kennzeichnet ist die nunmehr restlose Identifikation der Gun-
narssonschen Motivwelt, die sowohl bei weitem verschárfte schöpferische
Vorstellung als auch vollends gelungene Verschmelzung derselben mit dem
dichterischen Vortrag.. Es ist vor allen Dingen ein innerer Vorgang, der
sich hier vollzieht, und zwar einer, der nicht so ohne weiteres erklárbar
íst. Die zweite Etappe besteht lediglich in einem neuen Verháltnis des
Dichters zu seinem Eande und dem Uande seiner Dichtung. Die groBe
Distanz, die sein selbsterwáhltes Exil zwischen ihn und Island gelegt hat,
scheint plötzlich und in schier wunderbarer Weise uberwunden zu sein.
Alle Problematik, die sich bisher aus seiner so fragwiirdigen dichterischen
Vorstellung ergeben muBte, ist mit einem Male wesenlos geworden; all die
vielen störenden Ziige der Entfremdung, welcher dieser abseitige Kampf
auf fremder Erde nur zu begreiflich im Gesicht seiner Muse hinterlassen
hatte, sind einer plötzlichen inneren Selbstbesinnung gewichen, einer ver-
Erschienen 1930 Kebenhavn. Die deutsche Fassung (von Jóhann Jónsson) er-
scheint demnachst bei Albert Langen-Miinchen.
3»
29