Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1931, Side 17

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1931, Side 17
Die áuBere Handlung, die auf den Eid und die Entfernung der Ragnheiður vom bischöflichen Hause in Skálholt wáhrend ihrer Schwangerschaft zielt, ist klar und zielbewuBt aufgebaut. Der Bischof wird breit durch seine Leistungen exponiert. Daði durch seine Wirkungen auf die Menschen (le charmeur), der Gegenspieler Sigurður Torfason durch seine kleinlichen Reflexionen und Kalamitáten. Die innere Handlung findet tatsáchlich ihren Höhepunkt in der Szene des náchtlichen Besuches der Ragn- heiður bei Daði. Eine weitere Steigerung ist zwar beabsichtigt: das BewuBtsein der Mutterschaft; aber der Dichter muB zu dem bedenklichen Mittel greifen, auf diese letzte Steigerung von sich aus mit dem Finger zu weisen: „Nicht die erste Nacht, in der sie sich Daði Halldórsson hingab, hatte den Vorhang uber ihre Vergangen- heit fallen lassen, sondern der heutige Tag" (an dem sie das neue Leben in ihrem Kör- per zum ersten Male leibhaft sptirte). (S. 277 der dánischen Ausgabe.) Die Hand- lung schreitet straff vorwárts bis zu jener ersten Nacht; was dann folgt, muB als eine Brucke von dem ersten zum zweiten Teile des Romans verstanden werden, in dem der Bischof Brynjólfur die Hauptperson ist, selbst gegen Kambans ausdriick- liche Absichten. Als eine besondere Leistung Kambans sehe ich an, daB es ihm gelungen ist, die in der Geschichte so uberragende Person des Bischofs in den Hintergrund zu bannen. Das war nur möglich durch den Verzicht auf eine Reihe von wirkungsvollen Szenen (wie z. B. die Szene der Flucht Brynjólfs vor der Bischofswahl), der dem Dichter ge- wiB nicht leicht geworden ist. Die Entwicklung des Bischofs wird nur in der Form eines kiihlen Berichtes gegeben, der in der Hauptsache wohl die Exposition des zwei- ten Teils des Romanes ausmacht. Dadurch ist es Kamban gelungen, trotz des Ab- sinkens der Handlungsintensitát nach der zentralen náchtlichen Szene schon mit dem ersten Teile ein geschlossenes Kunstwerk zu schaffen. Kamban ist wie ein „fróðr maðr“ der Sagazeit an seine Aufgabe herangegangen. Aber in der Gestaltung seines Stoffes benutzt er nicht die Stilmittel der Saga, son- dern die des modernen historisch-psychologischen Romans. Er wird wohl wissen, 'varum er es getan hat, denn die Versuchung, eine wirkliche Saga Ragnheiðar zu schaffen, wird fur ihn als Islánder groB gewesen sein. Doch er hat sich von vorn- herein vorgenommen, fur ein breiteres Publikum als das seiner Heimat zu schreiben (der Roman erschien gleichzeitig in islándischer und dánischer Sprache) und ihn auf einer breiteren kulturgeschichtlichen Basis aufzubauen, als daB ihm fur seine Auf- gabe der Stil der Saga geníigt hátte. Ich bedauere den Verzicht auf den Sagastil nur in Hinsicht auf Kambans Sprache. Ich spure bei ilim nur wenig Ansatze zu einem persönlichen Sprachstil, wie ihn bei uns z. B. die Briider Mann und Werfel haben. Dem- gegeniiber wáre mit einem AnschluB an die „beste germanische Prosa", die Saga- prosa, wenigstens ein hochstehender Volksstil an die Stelle eines zwar flussigen, aber nicht charakteristischen Stils getreten. Ein abschliefiendes Bild von dem ganzen Slcálholt-Werke kann ich mir nicht machen, da ich den zweiten Teil noch nicht kenne. Aber schon dem ersten Teile gegenúber habe ich das Gefuhl der Dankbarkeit, das der Dichter als Vermittler ergreifender Schicksale und starker Persönlichkeiten in uns zu erregen imstande ist. Tiibingen Wolfgang Mohr V. GARTENBAU AN DEN HEISSEN QUELLENISLANDS Qartenbau auf Island! Viele, die noch vor 10 Jahren Island besucht haben, werden den Kopf schútteln und alle, die in Island nur die Insel in Nacht und Eis sehen, ■werden lácheln — und dennoch ist so etwas im Werden und im Ausbau begriffen; uad nicht die letzte Ursache dieser neuen Entwicklung bilden die heiBen Quellen. Als ich vor nunmehr 4 y2 Jahren von der Heuarbeit im Westlande kommend mich 111 der Náhe von Reykjavík als Stallknecht verdingte, lud mich Lúðvíg Guðmundsson 4 Mitt. d. Islandfrcunde XIX, 43

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