Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1931, Blaðsíða 19
In diesem Jahre haben wir die erste Ernte in Topf-Treiberdbeeren gehabt und
machen die ersten Versuche mit Treibreben und erweitern unsere Kulturfláche fiir
Melonen und Konservengurken erheblich.
Daö Island — wie eine norddeutsche Zeitung kiirzlich faselte — ein Exportland
fhr Gemiise werden könne, ist trotzalledem nicht zu erwarten, weil zu viele Umstánde
einer rentablen Massenproduktion entgegenstehen. Erstens einmal die Unmöglichkeit,
auch nur einigermaBen geeignete Arbeitskráfte zu verniinftigen Lohnbedingungen zu
bekommen. Zweitens die Preise aller importierten Produktionsmittel (Baumaterial!)
und drittens die Kurze der intensiven Wachstumszeit.
Das Studium des Treibgartenbaus auf Island beginnt erst dann besonders inter-
essant zu werden, wenn das Licht, das im Sommer verschwenderisch Tag und Nacht
Kraft und Wachstum spendet, nachzulassen beginnt. Es treten dann Wachstums-
stockungen auf, die auf Monate jegliche Kultur zum Stillstand bringen. Knospen,
die schon entwickelt sind, wollen nicht mehr aufspringen, Sámlinge und Úberwinte-
rungspflanzen werden blaB und úberschlank wie Kellerpflanzen, und im Dezember
tritt ein absoluter Stillstand ein — Lichtmangel, kurze Tage. Erst im Márz kommt
wieder Leben in das Haus; dann geht es allerdings wieder so rapide vorwárts, als
músse die Natur das Versáumte im Eiltempo nachholen.
Nun noch ein Wort úber die Absatzfrage. Da war zunáchst ein psychologisches
Hindernis zu úberwinden; denn — wie in Deutschland friBt auch der Bauer in Island
nicht, was er nicht kennt, und so mufite man die Einwohner Reykjavíks erst nach
und nach an den GenuB von Gemúse gewöhnen. Im Jubeljahr 1931 kam dann
der Erfolg: Als wir mit einem Lastauto voll Gemúse nach Reykjavík fuhren und
auf dem kleinen Platz hinter dem ,,Iðno“ (Stadttheater, Landwirtschaftsgesellschaft
nnd Handwerkerinnung in einem Bau) den ersten öffentlichen Gemúsemarkt Islands
abhielten, da gab es beinahe eine Keilerei. Wir haben das Experiment mehreremale
wiederholt und wissen seitdem, daB mit der Zeit in Reykjavík ein guter — natúrlich
durch die Einwohnerzahl beschránkter — Markt fúr islándische Gartenerzeugnisse
entsteht, wozu noch eine betráchtliche Nachfrage nach Schnitt- und Topfblumen
zu jeder Jahreszeit hinzutritt.
Keykir (Mosfellssveit, Island) Ernst Fresenius
VI. DIE GRÖNLANDFRAGE
Meldet auch Island Anspriidie an?
Von Dr. jur. Ragnar Lundborg, Stockholm
Seit Norwegen ein Gebiet in Ostgrönland okkupiert hat und dieser Staat sowie
Dánemark beschlossen haben, den hieraus entstandenen Streit dem Schieds-
gerichtshof im Haag zu unterbreiten, ist diese Frage aus einer rein nordischen zu einer
solchen von internationaler Bedeutung geworden.
Fúr den, der sich mit nordischer Politik befaBt, ist es lange klar, daB Norwegen
expansive Pláne in den arktischen Gebieten verfolgt. Schon im Frúhjahr schrieb
einer der hervorragendsten Kenner des Staatsrechts, Professor Knud Berlin in Kopen-
hagen, in einer schwedischen wissenschaftlichen Zeitschrift einen Artikel, der vor der
bevorstehenden Okkupation Ostgrönlands durch Norwegen warnte.
Nach meiner Meinung besteht kein Zweifel, daB Dánemark auf Grund seines Ver-
*rages mit den Vereinigten Staaten von Amerika, der am 1. April 1917 in Kraft trat
und auf Grund dessen es seine Besitzungen in Westindien an die Vereinigten Staaten
"verkaufte, seine Souveranitát úber ganz Grönland völkerrechtlich anerkannt erhielt.
Norwegen hat diese jedoch nicht anerkennen wollen. Das dánisch-norwegische Ab-
tommen úber Grönland von 1924 hat die Beantwortung dieser Frage in der Schwebe
gelassen, und Norwegen hat auch nach AbschluB des Abkommens den Standpunkt
beibehalten, daB Ostgrönland mit Ausnahme von Angmagssalik und Scoresby, der
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