Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1931, Blaðsíða 20
Souver&nitat D&nemarks nicht unterworfen, sondern „Niemandsland" sei. Der Ver-
trag von 1924 sollte bis 1944 Giiltigkeit haben. Die Norweger haben jedoch kurz ent-
schlossen gehandelt. Am 10. Juli 1931 hat König Haakon im Staatsrat (Ministerrat
unter Vorsitz des Königs) den BeschluC zur Okkupation der Gebiete in Ostgrönland
gefaQt, die zwischen 71 Grad 30 Minuten und 75 Grad 40 Minuten nördlicher Breite
gelegen sind.
Dieses Vorgehen kam im ganzen Norden trotz allem sehr iiberraschend, zumal seit
1914 zwischen den einzelnen Landern ein enges Zusammenarbeiten bestand. Es laBt
sich schwer mit der Tatsache vereinbaren, daB Norwegen das Land ist, das den Nobel-
schen Friedenspreis zu verteilen hat, und wie eine Xronie des Schicksals wirkt es,
daB zugleich mit der Okkupation in Kopenhagen der Nordische FriedenskongreB er-
öffnet wurde.
Beide Lánder haben den Streit dem Haager Schiedsgericht unterbreitet, und Nor-
wegen begriindete seinen OkkupationsbeschluB mit folgenden Worten: ,,Im Hinblick
auf Norwegens Rechtsstellung bei der bevorstehenden Verhandlung der Angelegenheit
vor dem Internationalen Gerichtshof hielt es die kgl. norwegische Regierung unter
diesen Umst&nden fúr notwendig, eine Okkupation des Gebiets von Ostgrönland vor-
zunehmen, das auf Grund der dort vorhandenen norwegischen Interessen unter die
norwegische Souveránitat kommen muB, damit man von norwegischer Seite vor dem
internationalen Schiedsgericht die norwegische Souver&nit&t úber das Gebiet fordern
kann."
Wie die Frage sich nun leider entwickelt hat, dúrfte auch noch eine dritte Partei
sich vor dem Forum des Gerichts melden, n&mlich Island. Es hat seit langem auf
Island einen gewissen Unwillen hervorgerufen, daB die Norweger sich die GroBtaten,
die die Islánder auf den verschiedenen Gebieten (Literatur, Entdeckungsfahrten bis
Amerika u. a.) im Mittelalter vollbracht haben, zuschreiben. So sind es auch Isl&nder
und keine Norweger gewesen, die Grönland vor 950 Jahren entdeckt haben. Sie
haben es damals bebaut und kolönisiert, haben mit ihm Schiffahrt getrieben und
haben es ihrem Staatswesen, das in den ersten Jahrhunderten dieses Jahrtausends
in holier Blúte stand, einverleibt, welch letzteres ein islándischer Wissenschaftler,
Jón Dúason, in einer 1928 erschienenen Abhandlung, auf Grund derer ihn die Uni-
versitát in Oslo zum Dr. jur. promoviert hat, meines Erachtens nach folgerichtig
nachgewiesen hat. Diese Rechtsstellung als zu Island gehöriges Land, wurde, wie
Dr. Jón Dúason weiter ausfúhrt, auch dann nicht geándert, als Island 1262 aus einer
unabh&ngigen Republik zu einem Königreich in Union mit Norwegen wurde. Nor-
wegen und Island kamen dann in Union mit Dánemark und Schweden (Kalmarer
Union von 1397) als gleichberechtigte Staaten. Aber die Entwicklung ging in der
damaligen Zeit, wo der EinfluB des Monarchen gröBer war als jetzt, bald dahin, daB
Dánemark tatsáchlich der vorherrschende Staat wurde. Schweden brach unter Gustaf
Wasa im 16. Jahrhundert aus der Union aus; aber Norwegen und Island blieben in
ihr und wurden schlieBlich tatsáchlich fast zu d&nischen Provinzen. Erst 1814 wurde
Norwegen wieder unabhángig, aber in Realunion mit Schweden, die 1905 gelöst wurde.
Island wurde völkerrechtlich als Iíönigreich in Union mit Dánemark im Jahre 1918
anerkannt (Dánisch-Islándisches Bundesgesetz vom 1. Dezember 1918). Aber Nor-
wegen trat 1814—1821 Gebiete ab, die ihm rechtlich nicht gehörten, námlich das
islándische Staatsgebiet, und es nahm dafúr Gelder in Form von Abzúgen auf seine
Staatsschuld. Island konnte sehen, wo es blieb, zugehörig zu D&nemark, wie es war.
Jetzt suchen die Norweger anscheinend eine Gelegenheit, einen Teil von dem, was
sie frúher an Dánemark abgetreten haben, sich wiederzuholen, námlich Ostgrönland.
Im dánisch-isl&ndischen Bundesgesetz von 1918 ist Grönland nicht erwáhnt, woraus
man schlieBen muB, daB das durch dieses Bundesgesetz wieder souver&n gewordene
Island stillschweigend Dánemarks Souveránitát dort anerkannt hat, ein Recht, das
durch jahrhundertelange Ersitzung an sich begrúndet erscheint.
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