Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1931, Blaðsíða 23
fast gleichzeitig rechts in einem steil zur Schlucht des Markarfljót niedergehenden
felsigen Hange ein paar kleine Höhlen, die Runólfur erwáhnt hatte, weil man im Not-
falle in ihnen fibernachten kann. Jetzt erst war ich sicher, auf dem rechten Wege
au sein. Aber bald verlor ich ihn zum zweiten Male, ais er iiber eine kahle Anhöhe
fuhrte, und muBte auf der anderen Seite lange suchen, bis ich ihn wiederfand. Rechts
von mir lag jetzt ein schmales und tiefes FluBtal mit steilen Abhángen, aber ich konnte
nicht erkennen, ob es das des Markarfljót oder eines seiner linken Zufliisse war. t)ber-
haupt hatte ich in der Landschaft nicht den geringsten Anhalt fúr meinen Weg. Oberall
versperrten Berge und Höhen, die anscheinend ohne jede Ordnung hingestreut waren,
den Blick; die meisten Wasserláufe flossen in so tiefen Einschnitten und derartigen
Windungen, daB man sie nur auf ganz kurze Strecken sah, so daB ich nicht einmal
ihre Stromrichtung erkennen konnte und uberhaupt nicht wuBte, woher sie kamen
und wohin sie gingen. Der weitere Blick, auf die groBen Gletscher zu beiden Seiten,
■war durch tiefhángende Wolken versperrt, wenn ihn die naheren Berge hier uber-
haupt einmal frei lassen.
Der Weg ging mir noch ein drittes und viertes Mal verloren. Beim dritten Male
geriet ich soweit nach rechts an den steilen Berghang, daB ich umkehren muBte. Doch
fand ich den Weg auch jetzt wieder. Es fing nun an zu dunkeln und ich muBte so
schnell es irgend ging die Schutzhútte erreichen. Ich kam in ein tief einschneidendes
Seitental hinunter und erwartete sie dort zu finden, aber Runólfs Schilderung paBte
nicht recht auf das Tal, es fehlte das Lavafeld, von dem er gesprochen hatte. So
muBte ich wieder auf die Berge hinauf, kam aber bald an den Rand eines anderen
steil abfallenden Tales, in dessen Grunde ich im letzten schwachen Tageslichte ein
kleines Lavafeld erkannte. Dies muBte das Hvanngil sein. Nun verlor ich den Weg
zum vierten Male; er war an dem Hange nirgends zu finden, und auch unten fand
ich keine Spur, so daB ich die Hútte ohne seine Hilfe suchen muBte. Ich vermutete
sie am Rande des Lavafeldes, dort, wo ein kleiner Bach ihm am náchsten kam, und
fand sie dort auch. Es war Glúck, denn ich sah sie erst, als ich wenige Schritte vor
ihr stand, weil es fast dunkel war und die Hútte eher eine Höhle war, sehr niedrig
und klein, nur aus Lavastúcken zwischen zwei groBen Lavablöcken zusammengesetzt.
Die Túr steckte tief im Flugsande, so daB ich Múhe hatte, sie zu öffnen.
Hier blieb ich die Nacht. Nach Mitternacht begann es stark zu regnen, lieB aber
bald wieder nach. Sowie es hell war, sah ich mich drauBen um. Das Tal lag etwa
von Norden nach Súden, und durch seine schmale öffnung im Súden sah ich ziem-
lich nahe eine breite Gletscherzunge, konnte mir aber nicht recht erkláren, zu wel-
chem Gletscher sie gehörte, da ich annahm, noch weit vom Mýrdalsjökull entfernt
zu sein. Nirgends im Umkreis von mehreren hundert Metern konnte ich auch nur
die geringste Spur eines Weges entdecken, so daB ich mich entschlieBen muBte, nach
dem KompaB zu gehen; das war aber in dem ungewöhnlich zerrissenen Berglande
nicht unbedenklich.
Kurz bevor ich gehen wollte, brach ein strömender Regen los, der mich noch andert-
halb Stunden in dem Loche festhielt. Dann klárte es schnell auf und es wurde ein
schöner, sonniger Tag. Ich kletterte nun geradenwegs den steilen und felsigen Hang
an der Ostseite des Tales hinauf, und muBte sofort ebenso steil an der anderen Seite
wieder hinunterklettern, meist auf losen Geröllhalden zwischen Felsenabsátzen, die
den Abstieg sehr schwierig machten. Unmittelbar am FuBe des Berges floB ein Glet-
scherfluB, der ziemlich viel Wasser fúhrte und nicht ganz leicht zu waten war. Er
floB nach rechts, also jedenfalls in das Markarfljót. Jenseits von ihm lag eine stunden-
weite kahle, völlig ebene Sandwúste, links begrenzt von den Vorbergen des Torfa-
jökull, rechts von den Moránenrúcken und flachen Gletscherzungen des Mýrdals-
oder Goðalandsjökull, hinter denen sich langsam die breiten Firnfelder des Gletschers
erhoben. Diese Sandwúste heiBt Mælifellssandur, nach einem máchtigen Aschen-
kegei dicht vor dem Gletscherrande, der Mælifell heiBt. Sie ist die Grenze und Wasser-
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