Tímarit Verkfræðingafélags Íslands - 01.02.1949, Blaðsíða 13
TÍMARIT V.F.Í. 1949
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reichen jedoch bereits aus, um zu verstehen,
warum allen chemotherapeutischen Theorien zum
Trotze auch und gerade Thermen mit weniger als
1 g gelöster Mineralstoffe im Liter bei verschiede-
nen Leiden hervorragende Heilerfolge zeitigen kön-
nen. Die meisten warmen und heissen Quellen Is-
lands sind diesen sogennanten Akratothermen oder
Wildbádern zuzurechnen. Ihnen wird bei jeder bal-
neologischen Entwicklung hier bevorzugte Aufmerk-
samkeit zu widmen sein. Daneben könnten gewisse
Formen von Schwefelquellen und Sáuerlingen wesent-
lich werden. Wenn man unter den erforderlichen Vor-
behalten noch von stofflichen Einzelfaktoren spre-
chen kann, diirften fúr Island u.a. Fluorvorkommen
und ungewöhnlich hohe Kieselsáuregehalte balneo-
logisch kennzeichnend sein. Weitere Unterlagen wer-
den sich erst aus Spurenelementuntersuchungen und
aus physiologischen Experimenten ableiten lassen.*
Aus mikrobiologischen Befunden kann jedoch jetzt
schon geschlossen werden, dass zahlreiche islándische
Quellen entschieden als Heilwásser im balneobio-
logischen Sinne anzusprechen sind. Dazu verfugt
das Land úber einen reichhaltigen Vorrat sonstiger
natúrlicher Heilmittel wie Moore und organische und
anorganische Quellschlamme, Mittel also, die in den
meisten alten und modernen Thermalbádern als er-
gánzende therapeutische Werte sehr geschátzt sind.
2. Klimatische Bedenken: Ein anderer Grund
fúr die offensichtliche Hemmung der islán-
dischen Báderentwicklung mag im Landesklima
zu suchen sein. Bei allgemein milderer Witte-
rung hátten Besucher aus dem Auslande sicher
lángst bádertechnische Entwicklungen praktisch an-
geregt. — Der Gesundheitszustand des islándischen
Volkes mag bisher derart gewesen sein, dass Heil-
báder nicht erforderlich zu sein schienen, und be-
státigt damit úbrigens auch die Zutráglichkeit des
Klimas. Als Státten der Erholung und Gesunderhal-
tung werden jedoch im Zusammenhang mit stádti-
schen Entwicklungen nun auch hier Quellenbáder eine
Steigende Aufgabe haben. Fúr gesteigerte zivilisato-
rische Ansprúche bestehen heute úberdies hinreichen-
de Möglichkeiten der Klimaregulierung innerhalb
einer Báderanlage.
3. Geschichtliche Grúnde: Gemessen an der
* Im Februar 1949 begonnene Keimversuche mit einigen
Getreidearten zeigen, dass sich u. a. die akratothermalen
Wásser von Suður-Reykir in ihren morphologischen Ein-
íliissen auf den Keim deutlich von Oberfláchenwássern unter-
scheiden lassen.
Geschichte des Heilbads ist die Besiedlung Is-
lands jung. Die Einwanderer stammen zudem
grössenteils aus ausgesprochen thermenarmen
Gebieten. Deshalb ist verstándlich, warum frúh-
geschichtliche Ansátze zu einer Báderentwick-
lung spárlich sind. Auch die heute háufigen ther-
malen Schwimmbáder sind fast durchweg ziemlich
jung.
Wenn somit aus verschiedenen Grúnden die bisher
schwache balneotechnische Thermenauswertung er-
klárt werden kann, so ergibt sich zugleich, dass vom
balneologischen Gesichtspunkte her gesehen fúr eine
moderne islándische Báderentwicklung durchaus gún-
stige Voraussetzungen bestehen. Bezirke stárkster
Thermalaktivitát wie z. B. Hveravellir oder Hvera-
gerði sind allerdings aus chemischen, technischen
und anderen Grúnden erfahrungsgemáss fúr balneo-
logische Entwicklungen wenig geeignet. Zu der ver-
bleibenden reichen Auswahl brauchbarer Quellen
kommen dabei, wie gesagt, als wertvolle Ergánzun-
gen noch mancherlei weitere natúrliche' Heilmittel.
— Derzeit wáre etwa ein Thermalbad fúr die hydro-
therapeutische Nachbehandlung von Poliomyelitisláh-
mungen fúr zahlreiche Personen ein dringendes Be-
dúrfnis. Akratothermen, wo möglich mit erhöhtem
Kieselsáuregehalte, gehören in der Schweiz, in USA
und in Deutschland zu den bevorzugten Mitteln der
Regeneration poliomyelitisgeschádigter Muskulatur.
Dieser in Island vorherrschende Bádertyp dient ja
úberhaupt und vor allen anderen der Bekámpfung
reversibler Erschöpfungs- und Alterserscheinungen.
Es sollten hier nur in groben Umrissen einige Hin-
weise zu den Problemen der Thermenauswertung und
den diesbezúglichen Entwicklungsmöglichkeiten ge-
geben werden. Wenn dabei Fragen des Treibhausbe-
triebs und des Báderwesens im Vordergrunde stehen,
soll keineswegs gesagt sein, dass dies die einzigen
oder wirtschaftlich wichtigsten Nutzungsmöglich-
keiten wáren. Es kann durchaus sein, dass vom wirt-
schaftlichen Standpunkte thermale Kraftgewinnung
und industrielle und heiztechnische Auswertung noch
gúnstigere Aussichten bieten. Ausserdem bestehen
sicher noch mancherlei andere Anwendungsmöglich-
keiten fúr das Thermalwasser, wie z. B. zu Abwasser-
beseitigung, Haustierhaltung und Teichwirtschaft.
Nur im Hinblick auf Volksgesundheit und -ernáh-
rung dúrften allerdings Treibhaus- und Báderfragen
eine bevorzugte Rolle spielen.
6.2.49.