Reykjaviker Fremdenblatt - 27.07.1927, Blaðsíða 1
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FIEHIElillTl
veranlasst durch die Hnkunft D. „Stuttgart
ü
Nr. 1
Reykjavik 1927
27. jüli
Island
in alten und neuen Zeiten.
Wenn man ungefähr eine
Tagesreise nach Nord west von
Faroeinseln hinterlegt hat, fällt
das Umriss der gewaltigen
Gletscherkuppen in die Augen
und allmählich erscheinen noch
grüne Abhänge, schwarze
schaumige Sande, und im Hin-
tergrund blaue Gebirge.
Das ist Island.
So hat Island in offener See
Jahrtausende gelegen, und so
war die Erscheinung dem Wik-
inger gegenüber, welche als
erste an das Land kamen, so
offenbart es sich noch heute
den Seefahrern und Reisenden
welche das Land besuchen.
Die Welle der Zeiten ist über
das Land gegangen, und hat
hier wie anderswo deutliche
Spuren hinterlassen, die Vor-
schritte der Neuzeit haben ver-
ansprucht, dass wir mit ihnen
auf allen. Gehieten Schritt hiel-
ten, aber trotz alledem können
wir sagen, dass Island das
unberührteste der nordischen
Länder, deren Bevölkerung sein-
en Ursprung nach germanischen
Stammen zurückführt, sei.
Ein Schriftsteller hat gesägt:
,.Island ist eine seltsame Misch-
ung von Altertum und Neu-
zeit“. Ich glaube, dass er sich
nicht * so sehr geirrt hat, denn
er im Auge die Mischung von
den Vorschritten einer mod-
erne Nation und einer Volks-
bildung hat, die in alten Saga-
Geschichten wurzelt; und diese
zwei Dinge, Altertum und Neu-
zeit, leben in einem Volke das
heute noch diesselbe Sprache
spricht wie vor 1000 Jahren,
nur, dass sie mit einigen von
den Forderungen der Zeit not-
wendig gemachten Neubildung-
en bereichert worden ist.
Die Wikingerzeit hat der Ge-
genwart in der Sprache ein
beachtenswertes Denkmal über-
geliefert. Andere Merkmale hat
das alte Island dem neuen Is-
land nicht hinterlassen, wenn
man von historischen Überresten
ln Grabhügeln und Ruinen
absieht. Unsere Väter haben
keine Zeichen materieller Gros-
bauten nachgelassen, wie es in
anderen Ländern allgemein ist.
Weder romantische Schiösser-
i ihnen oder eingestürzte Burgen
geben uns ein Bild von dem
Leben der Väter.
Alle unsere Erinnerungen sind
an die Sagaen welche die
Sprache verwahrten verknüpft
und es wird dann leicht ver-
ständlich wie wertvoll uns diese
Sachen sind.
Wir müssen nach anderen
Ländern gehen um alt-isländ-
ische Bauten zu besehen. Hier
auf Island bestand das Bauma-
terial besonders aus Holz weiter
wurden die Hauswände aus un-
verarbeiteten Steine und Erde
aufgebaut, aber Stein allein
wurde nicht benutzt. Wiederum
können wir auf Grönland isländ-
ische Bauten vom Mittelalter
finden. In Zusammenhang damit
können wir die Kirche in
Hvalsfjördur auf Grön-
land als eine der bekanntesten
erwähnen.
Allö <üa. jivf-rzi- Ailrlpn
Bauten hier auf Island sind sehr
heutig. Nur wenige sind älter
als Hundert Jahre. Brücken und
Wege zur Verbesserung des
Verkehrs sind auch neu in den
technichen Vorschritten des
Landes. Vor ungefähr 50—60
Jahren konnte man das Land
nur zu Pferde bereisen. Jetzt
liegen bereits mehrere gute
Fahrwege über das Land. In
nächsten Jahren soll ein Fahr-
weg quer über das Land gelegt
werden, eine Strecke von ca.
500 Kilometer welche die zwei
Hauptstädte des Landes, Reykja-
vik und Akureyri, verbinden soll.
Vielerlei könnte man noch
als Beispiel technischer Vor-
schritte auf mancherlei Gebieten
nennen. Hafenverbesserungen,
Hafenbauten und Leuchttürme
haben den Zugang der Seefahrer
zu dem Lande erleichtert. Die
Handelsflotte des Landes ist
bereits verhältnismässig-' gross.
Die grösste isländische Dampf-
schiffgesellschaft „Eimskipaf je-
lag Islands“ hat 6 Passagier-
boote von welchen ein die plan-
mässige Rute Reykjavik—Ham-
burg fährt. Die Fischflotte ist
auch schon ziemlich gross, die
einheimischen Reedereien be-
sitzen 39 Fischdampfer, dazu
noch eine Menge kleinerer
Schiffe und Motorboote. Dies
alles hat verursacht, dass
nndenken von Island
Bazar unter Kontrolle
des Touristen-Bureaus
in JÖnÖ“ (No 7 auf den Plan).
Grosse Auswahl allerlei isländischer Arbeiten.
Von Deutschtum
auf Island.
Von Julius Schopka.
Vorsitzender des Deutschen Klubs»
Die eigentliche Ursache der
regen Vorschitte ist die poli-
;
tische Freiheit, welche sich das
Land in denselben Jahren er-
worben hat. Gesetzgebung und
Wirtschaftsleben haben Schritt
gehalten, eine freiere Umgebung
•hat mehrere Möglichkeiten und
| viele einbringende Unternehm-
| ungen geschaffen, hauptsäch-
lich auf dem Handelsgebiete. In
JÖN pORLÄKSSON
der jetzige Prerniänrnnister
Islands.
Reykjavik jetzt eine der grös-
seren fischexportierenden Städte
Europas ist.
Was die Einwohnerzahl des
Landes betrifft, zählt sie um
100 000, oder eine ähnliche
Zahl wie in der Sagazeit
aber dann muss man in Be-
tracht nehmen, dass jahrhund-
ertlange Unterdrückung aus-
ländischer Machthaber, grosse
Naturkatastrofen u. a. den Rück-
gang der Einwohnerzahl verur-
sacht hat. Am Schluss des 19.
Jahrhunderts fand auch eine
weitgreifende Emigration nach
den Vereinigten Staaten statt.
Aber in den letzten Jahrzehnteh
ist die Zahl der Einwohner
wieder gestiegen. 1801 betrug
sie 47,000,, 1915: 88,500 und
jetzt gut 100,000. In derselben
Zeit hat sich Reykjavik von einem
Dorfe mit 2—300 Einwohner in
eine Stadt mit 14,000 in 1915,
und jetzt ca. 23,000 Einwohner
verwandelt.
jder Mitte des letzten Jahrhund-
jertes wurde der dänische Mono-
'polhandel aufgehoben, 20 Jahre
später bekommt das Land seine
eigene Verfassung und der pol-
itische Kampf für die völlige
Selbständigkeit Islands beginnt.
! Dieser schliesst mit der voll-
ständigen Anerkennung des
Landes in Dezember 1918 als
selbstständiges Königreich in
Personalunion mit Dänemark,
welche von beiden Ländern
nach 1943 vollkommen gekün-
digt werden kann.
L. S.
Vallarstraeti 4.
Königlicher
Hoflieferant
Konditorei
Schon von jeher her haben
Deutsche mit Island Verbin-
dungen gehabt. Zur Zeit der
Hansa waren deutsche Schiffe
hier öfters im Norden und trie-
ben Handel mit den Isländern.
Soweit geschichtlich nachge-
wiesen, kam es sogar in dem
nahen Hafnarfjord zwischen
deutschen Hansaleuten undEng-
ländern zum Kampfe. Dabei sind
von den letzteren viele erschla-
gen worden. Man hat vor etwa
3 Jahren deren Gebeine zufäl-
lig ausgegraben und sie der ge-
weihten Erde zugeführt.
Auch vereinzelt haben Deut-
sche festen Fuss auf Island ge-
fasst. Sie sind aber alle im is-
ländische Volkstum aufgegan-
; gen. Erst in der Kriegszeit, kä-
mmen mehrere Deutsche, die aus
| anderen Ländern auf der Heim-
reise begriffen waren, nach hier
in das gastfreie Island und blie-
ben bis zur Beendigung des
Krieges. Nach dem Weltkriege,
als viele Deutsche heimatsmüde
geworden waren, kamen auch
welche nach Island. Aber nur
wenigen ist es gelungen, hier
in der neuen Heimat ein festes
Wirkungsfeld zu erringen. Im
Jahre 1919 waren ihrer 7 an
der Zahl, aber bereits schon im
nächsten Jahre erhöhte sich
ihre Zahl auf 16. Das Jahr 1924
hat sogar 4 Dutzend Deutsche
überschritten. Seit dieser Zeit
wird die Ziffer immer kleiner.
Jetzt befinden sich wohl an die
28 Deutsche auf ganz Island,
darunter Frauen gezählt, die
mit Isländern verheiratet sind.
Woran liegt es, dass die Deut-
schen sich auf Island nicht hal-
ten können? In der Hauptsache
wohl an den wirtschaftlichen
Verhältnissen Islands. Der
Haupterwerbszweig des Volkes
ist die Fischerei. Misslingt sie
z. B. so fühlen es alle Erwerbs-
klassen und Arbeitslosigkeit
setzt dann gewöhnlich ein und
hierin liegt der Hauptkern-
punkt, der uns das ewige „Kom-
men“ und „Gehen“ der Deut-
schen, dass nach dem Kriege
einsetzte, erklärt. Die Sprache
macht auch oft Schwierigkei-
ten. Es wird uns Deutschen aber