Mitteilungen der Islandfreunde - 01.10.1929, Blaðsíða 4
III. ZUM 50. TODESTAG-E JÓN SIGURÐSSONS
Am 7. Dezember 1929 werden 50 Jabre seit dem Tode des Mannes ver-
gangen sein, dem Island seine nationale Wiedergeburt wohl haupt-
sáchlich zu verdanken hat, des gelehrten Archivars Jón Sigurðsson.
Am 17. Juni 1811 zu Rafnseyri am Amarfjord in Nordwest-Island ge-
boren, entstammte er einem der angesehensten Geschlechter der Insel,
dessen Ahnen sich bis ins 9. Jahrhundert zuriick verfolgen lassen, und
unter denen sich der Geschichtsschreiber Snorri Sturluson und der letzte
katholische Bischof der Insel, J ón Arason, befanden. Sein Vater war Pfarrer
in der 'Isafjarðarsýsla; von ihm wurde sein Sohn so griindlich unterrichtet,
daJ3 er sich sein Abiturientenzeugnis erwerben konnte, ohne jemals eine
öffentliche Schule besucht zu haben. Nachdem er hiernach noch einige
Zeit in seiner Heimat sich aufgehalten hatte, bezog er als Student die Uni-
versitát in Kopenhagen, wo er von da ab bis zu seinem Tode stándig wohn-
haft geblieben ist. Trotzdem wurde er seiner Heimat nicht fremd. Er be-
suchte sie fast immer zu den alle zwei Jahre stattfindenden Sitzungen des
Althing, dessen Vorsitzender er lange Jahre war.
Es wiirde an dieser Stelle zu weit fiihren, auf die erstaunlich vielseitige
und tiefgriindige Tátigkeit, die Jón Sigurðsson auf dem Gebiete der islán-
dischen Philologie, Archáologie und Geschichte entfaltete, einzugehen, um
derentwillen er hauptsáchlich in Kopenhagen wohnhaft geblieben war, da
dessen Biicher und handschrifthchen Schátze ihm die Durchfiihrung seiner
Studien allein möglich zu machen schienen. Seine diesbeziigliche Arbeit
zu wiirdigen, mui3 berufeneren Federn iiberlassen bleiben. Es soll hier nur
auf seine politische Tátigkeit etwas náher eingegangen werden, die in seinen
griindlichen Studien und Kenntnissen tief begriindet war.
Als Jón Sigurðsson im Jahre 1833 als Student nach Kopenhagen kam,
waren die Verháltnisse in politischer Beziehung alles andere als ruhig. Unter
dem EinfluB der Pariser Juli-Revolution war auch in Dánemark eine starke
Opposition gegen das streng absolutistische Regiment entstanden, das dort
seit dem 17. Jahrhundert geherrscht hatte. Diese Bewegung hatte die
Regierung veranlaBt, bératende Stándeversammlungen, und zwar eine fiir
Jiitland und eine fur die Inseldánen einzurichten. Island, das nach etwa
30ojáhrigem Bestehen als eigener Freistaat sich im 13. Jahrhundert den
Königen von Norwegen unterworfen hatte, mit diesem Uande dann im
Jahre 1381 in ein Unionsverháltnis zu Dánemark getreten und bei Dáne-
mark auch verblieben war, nachdem Norwegen durch den Frieden von Kiel
(1814) an Schweden gefallen war, war besonders nach Einfiihrung des Ab-
solutismus in Dánemark mehr und mehr zu einem Beilande Dánemarks ge-
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