Mitteilungen der Islandfreunde - 01.10.1929, Qupperneq 7
stand und unfáhig war, sich selbst zu erhalten, wenn ihm nicht fiir diese
Verluste Ersatz geleistet wiirde. Durch Jahrhunderte hindurch war iiberdies
der Handel Islands, wie noch jetzt der Grönlands, monopolisiert worden.
Hierdurch war die Bevölkerung jeder eigenen Initiative entwöhnt und dar-
auf angewiesen, fiir jeden Notstand Abhilfe in Kopenhagen zu suchen.
Die islándischen Beamten, mit alleiniger Ausnahme des gröBeren Teiles
der Geistlichkeit, standen nicht nur im Dienste der dánischen Regierung,
sondern waren auch in Dánemark ausgebildet und zum Teil geborene Dánen.
In Dánemark aber war man mit den Verháltnissen der fernen Insel nur
wenig vertraut und iiber die geschichtlichen Vorgánge unorientiert. Infolge-
dessen tiirmten sich die Schwierigkeiten fiir Jón Sigurðsson in ungeheurer
Weise. Aber trotzdem stritt der unermiidliche Mann unverzagt und unver-
drossen im Althing und aufierhalb desselben in Wort und Schrift fiir das
Recht seiner Heimat. Er organisierte Deputationen und Adressen, sprach in
Volksversammlungen und lieJ3 solche abhalten. Hauptsáchlich seiner Agi-
tation war es zu verdanken, dai3 im Jahre 1854 der Handel auf Island völlig
freigegeben wurde, wodurch die Grundlage gelegt war fiir den allmáhlichen
wirtschaftlichen Aufschwung der Insel, der gerade in den letzten Jahren so
erstaunliche Fortschritte gemacht hat, dai3 ferner im Jahre 1865 der Ent-
wurf des Gesetzes zur Regelung der Beziehungen Islands zu Dánemark und
im J ahre 1867 der Entwurf eines Verfassungsgesetzes fiir Island dem Althing
vorgelegt wurde. Diese beiden Entwiirfe fiihrten zwar nicht zum Ziel, und
die endlich ergangenen Gesetze vom 2. Januar 1871 iiber die verfassungs-
máfiige Stellung Islands im Reiche und das Verfassungsgesetz iiber Islands
besondere Angelegenheiten vom 5. Januar 1874, durch das Island endlich
eine moderne Verfassung mit gesetzgebender Versammlung bekam, waren
mehr oder weniger oktroyiert.
Wenn diese Neuordnung der Dinge auch sicherhch Jón Sigurðsson und
viele seiner Eandsleute nicht befriedigt hat, da sie erheblich hinter den
islándischen Forderungen von 1851 zuriickgeblieben war, so stellte sie doch
einen ganz wesentlichen Fortschritt dar, da sie in der Hauptsache den An-
spriichen der Insel auf Selbstándigkeit und zeitgemáfie Regierungsform
Rechnung trug. Es ist den Lesern unserer Mitteilungen bekannt, dafi die
islándisch-dánischen politisclien Kámpfe durch die Neuregelung vom Jahre
1871—1874 nicht zur Ruhe gekommen sind, sondern dafi ein befriedigender
Ausgleich, der sich schliefilich nicht sehr viel anders als die islándischen
Forderungen von 1851 gestaltete, erst im Jahre 1918 zustandegekommen ist.
Aber trotzdem gestattete die Neuordnung der 7oer Jahre den Islándern
nach ihrer 20 Jahre vorher erfolgten wirtschaftlichen Freigabe wieder, ihr
eigenes politisches und nationales Eeben fiihren zu können. Das Verdienst
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