Mitteilungen der Islandfreunde - 01.10.1929, Side 12
legung der verdienstvollen inhaltreichen Arbeit bisher keinen Mazen gefunden hat;
hoffcntlich wird sich ein solcher nachtraglich noch irgendwo im begiiterten Ausland
melden! Er hátte dann Gelegenheit, als Ergánzung des Werkes auch einen Saga-Atlas
beizufúgen, den Herr Hight als Erlauterung zu seinem Lexikon nach den besten erreich-
baren Quellen in 17 Bláttern (13 Island, 1 Norwegen, 2 Grönland, 1 Index) ausgearbeitet
hat, der jedoch einstweilen nur in dem einzigen Handexemplar des Verfassers vorliegt.
H. E.
VII. tíBER DEN NAMEN KRÍSUVÍK
An der Súdseite von Reykjanes zwischen Grindavík und Selvogur liegt Krísuvík,
durch Hunderte von Jahren wegen ihrer Schwefelquellen bekannt. Der Name
stammt aus der Besiedlungszeit Islands und kommt mehrfach in der Landnámá-
bók vor.
Die islandischen Urkunden erwáhnen háufig Krísuvík.
In einem Abkommen úber angetriebene Gegenstánde des Klosters Viðey aus dem
Jahre 1284 (Vermittlung des Bischofs 'Arni þorláksson und 'Asgrímur þorskinsson und
Páll Hvalnesingr zwischen dem Abte Runólfr in Viðey und þorgrímr Halldórsson) wird
Kryssuvik (Var. Krijsivijk) erwáhnt. In einem Inventarienverzeichnis der Maria-
kirche in Krísuvík aus dem Jahre 1275 (in Abschr.) steht Krijsuvijk (Krysevijk), spáter
(1307) Krysuvijk geschrieben.
Spátere Dokumente schreiben den Namen auf verschiedene Weise: die sogenannte
Vilchinsbók 1397: Krysevik und Krysuvik (Dipl. isl. IV, 54), ein Dokument aus dem
Jahre 1413; Krýssuvik (Dipl. isl. III, 749), ein Dokument aus dem Jahre 1525: Krysu-
vik und Krysevik (Dipl. isl. IX, 289) usw.
Der Name Krísuvík ist nicht erklárt worden; das griechische Wort XQvasag (golden),
wie einige vermutet haben, steckt sicherlich nicht in diesem Namen. Im Norwegischen
(vgl. das Wörterb. von Ivar Aasen) kommt das Kem. Grisa vor = eine Stelle, wo etwas
dtinn oder zerstreut steht, ein durchsichtiger Punkt u. dgl. (vgl. isl. gris-ja). Ross fúhrt
in seinem Dialektwörterbuch das Kem. grisa an: eine kleine Ritze, durch die das Licht
fállt. Keines dieser Wörter steht in Verbindung mit Krís — in Krísuvík. Dagegen gibt
es eine isl. Volkssage, die auf die richtigen Spuren zu ftihren scheint: die Volkssage úber
Krýs und Herdís (Jón 'Arnason: Islenzkar Þjóðsögur I, Leipzig 1862, S. 476).
Nach dieser Volkssage wohnen die beiden Frauen Krýs und Herdís jede auf ihrem
Hofe in Krýsuvík und Herdísarvík. Sie beneiden sich gegenseitig und fúhren Streit mit-
einander, bis sie endlich aus Zufall mitten auf dem Wege zwischen den beiden Höfen
einander treffen. Jede von ihnen behauptet, daB der Boden, auf dem sie standen, ihr
gehört. Durch Zauberktinste drohte die Krýs der Herdís, daB die Forellen in ihrem
Teich verschwinden und nur giftige Forellen (loðsilungur) dort leben sollen. Die Herdís
drohte der Krýs auf áhnliche Weise, und der Streit endete damit, daB sie beide zer-
platzen. Sie sind beide am Scheidewege zwischen Gullbringu- und 'Arnes-Kreis begraben,
fúgt die Volkssage hinzu.
Sprachlich steht nichts im Wege, daB ein Frauenname Krýs im Namen Krísuvik
stecken möge. Der Hof Herdísarvík ist tatsáchlich nach dem Frauennamen Herdís be-
nannt worden, ebenso Járngerðarstaðir in dem benachbarten Grindavík u. a. m. In der
Zusammensetzung Krýs-vík ist aus klanglichen Grtinden ein u (beeinfluBt durch das
labiale v) oder ein i (beeinfluBt durch das vorangehende ý) eingedrungen, auf áhnliche
Weise wie ein i im Worte viki-vaki (Tanz im Mittelalter), das bis jetzt nicht erklárt
wurde; viki-vaki gehört zu vik, v. schnelle Bewegung (im Norwegischen = Teil einer
Strophe, einer Melodie), viki-vaki daher = Erreger der Bewegung (vgl. nisl. afl-vaki =
Krafterreger, Dynamo). Das norw. dial. vik-stev Refrain von vik sttitzt auch diese An-
nahme ebenso wie die Anwendung des Wortes vik im Neuislándischen (atvik, viðvilc,
vikapiltur u. a.). Im Islándischen gibt es auch mehrere Beispiele von Bindevokalen, die
ausschliefilich aus klanglichen Grunden eingedrungen sind.