Mitteilungen der Islandfreunde - 01.10.1929, Side 17

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.10.1929, Side 17
den ununterbrochenen Vorwártsdringens sehen wir ein paar Dampfsáulen deutlich sich vom Boden lösen. Wir finden eine kleine, aus Steinen und Rasensoden aufgebaute Hutte, dumpf und dunkel — und sind doch froh, daö sie uns Obdach gewáhrt. Man láchelt sich an: auch das eine islándische Sommernacht. Der kommende Tag ist ein langer, unerschiitterlicher Schlaf. II Als wir am Abend aus unseren Schlafsácken kriechen, streicht immer noch Regen ,aus tief hángendem Himmel um unsere Hiitte. Wir suchen nach Trinkwasser und finden nicht weit von unserem Schlupfwinkel einen klaren Bach. Viel wichtiger aber ist die andere groBe Entdeckung, die auf einmal die Kálte und Násse des notgedrungenen Bleibens — an einen Aufbruch ist bei dem Wetter nicht zu denken — wohltuend auf- trocknet und durchwármt: auf einer flach sich aufwölbenden Bodenwelle quillt und zischt es an immer neuen Stellen von siedendem Wasser und heiBen Dámpfen. In kleinen Becken, um die sich der Sinter in ganz gleichmáBig ubereinandergelegten, alabasterweiBen Ringen zu niedrigen Wállen abgelagert hat, kochen die heiBen Quellen. Alle Augenblicke wirft so ein kleiner Geysir seinen aufbrodelnden Wassergehalt tiber den marmorn schimmernden Rand. Wo das abflieBende Wasser sich in kleinen Ver- tiefungen zu ruhigem Spiegel sammelt, schillert dieser in einem ganz klaren, márchen- haft tiefen und strahlenden Blau. Das ganze Erdreich dieses Htigels ist eine dampfende, gurgelnde, in vielen unsichtbaren Adern pulsierende Werkstatt des Feuergottes. Jeder Schritt will gepruft sein, damit der FuB nicht in heiBem Schlamm versinkt. Úberall fahren aus kleinen Ventilen dtinne Dampfstrahlen unmittelbar aus dem Boden. Ftir uns, die wir vom Wetter hier in der Einöde gefangen sind, ist dieser Quellen- htigel eine groBartige Herdanlage: einen Spirituskocher haben wir nicht, Holz gibt es auf Island nicht — aber wozu ? Hier rinnt unablássig Wasser in allen Wármegraden. Ein Loch in den heiBen Boden gegraben ist eine bessere Koch-, Brat- und Backvorrich- tung als die besten Apparate eines modernen Heizkörpergescháftes. Die hundert Schritt von der Htitte zum Kochloch sind nicht angenehm, wenn einem der Wind die dichten Regenschwaden um die Ohren peitscht, aber was tut's, wenn man daftir mit einem Topf heiBer Fleischsuppe oder etwas anderem Gekochten ebenso schnell wieder zurtickkehrt ? Wenn von den nebelumwogten Gletschern, deren westlicher nur 3—4 km von uns ent- fernt ist, die Hochlandsnacht kalt und sttirmisch hereinfállt, so holen wir uns ein paar Flaschen mit heiBem Wasser in den Schlafsack. Am náchsten Tage wirbelt ein Schneegestöber aus dem noch immer schwerer lastenden Wolkenmeer. Es ist mitten im Juli. In unserer Heimat wiegt warmer Sommerwind jetzt in den golden gewordenen Kornfeldern. An den Erdwánden unserer Behausung klebt feuchte Kálte. Hat eine Unwetterwoche sich in dieser engsten Stelle zwischen den Gletschern festgebraut ? Wir beginnen unsere Vorráte einzuteilen. — Vorm Ein- schlafen erzáhlt einer von dem letzten islándischen Friedlosen, dem geáchteten „Berg- Eyvindur", der lange an den heiBen Quellen hier als Hochlandsráuber sich herum- geschlagen hat. In der Nacht dröhnen Schláge an die Ttir. Einer tastet zum Ausgang und nimmt die Klammern vom VerschluB. Drei Gestalten dringen herein. Ihr triefendes Ölzeug schimmert gelb durch das Dunkel. Im Augenblick ftillt sich der kleine Raum mit dem Geruch von Pferden und Lederzeug. „Was ftir Landsleute ? Erst als alles hereingebracht und die Ttir vor den hereinfegenden SchneestöBen wieder verrammelt ist, kommt die Antwort: Ein Islánder mit zwei Dánen, auf geologischer Expedition. Sie kommen vom Nordende des westlichen Gletschers und haben sich mehrere Stunden durch dichtes Schneetreiben geschlagen. Der Islánder wundert sich selbst, daB er bei dem Höllen- wetter diesen Zufluchtsort gefunden hat. Dann schlafen wir in friedlichem Drei-Völker- Gemisch unter dem wetterumtosten Dach der Hochlandshtitte. Durch eine Ritze in der Ttir rtihrt ein Sonnenstrahl wie ein langer goldener Halm meine Wimpern. Doch sie wollen sich nicht ganz öffnen. Es kann ja nur Traum i Mitt. il. Islandfrcunde XVII, 2 41

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