Læknablaðið - 01.06.1939, Síða 15
LÆKNABLAÐIÐ
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Wortes, wenn etwa die Serumein-
spritzung bei Diphtherie dem ge-
fáhrdeten Organismus die fehlen-
den Heilstoffe zufiihrt, oder wenn
man bei andern Infektionskrank-
heiten umgekehrt durch ein Chemo-
therapeuticum die Toxicitát der
Krankheitserreger herabsetzt, oder
drittens, wenn durch prophylak-
tische Impfungen wie bei Tetanus-
Gefáhrdeten dem Ausbruch der
Krankheit vorgebeugt wird.
Von diesem Gesichtspunkt ge-
sehen, verliert auch der alte Streit
zwischen Homoeopathie und sog.
Allopathie seine Bedeutung. Der
,,Allopath“ arbeitet z. B. bei der
Serum Therapie mit Dosen, die man
als homoeopathisch bezeichnen mus-
ste, und auch der unúberbrúckbare
Gegensatz zu dem alten homoeo-
patischen Grundsatz: Similia si-
milibus löst sich bei náherer Be-
trachtung von selbst auf.
Wir verstehen also unter Natur-
heilverfahren die Anwendung all
der IMittel und Methoden, die die
Natur uns bietet. Dabei macht es
keinen prinzipiellen Unterschied,
ob wir diese Mittel unmittelbar und
unverándert aus der Hand der Na-
tur verwenden, oder ob wir sie in
geeigneter Weise zubereiten, —
vorausgesetzt, dass durch diese Zu-
bereitung nichts Grundsátzliches
geándert wird. So gilt die Anwen-
dung eines Heilkráutertees sicher-
lich auch in den Augen des streng-
sten Naturheil-Apostels als natúr-
liche Heilmethode, obgleich durch
Sammeln, Trocknen, Weiterreichen,
Aufbewahren, Aufgiessen, evtl.
Kochen u.s.w. eine schwer kontrol-
lierbare Veránderung der in der
Natur vorkommenden Substanz er-
folgt oder erfolgen kann. Dass u.
U. die Rohdrogue besser wirkt, als
die aus ihr gewonnene reine Sub-
stanz, zeigt z.B. die bei Parkinson-
ismus und áhnlichen Zustánden mit
atropinhaltigen Pflanzen vorge-
nommene „bulgarische Kur“, die
der fríiher úblichen Behandlung mit
reinem Atropin úberlegen ist. Meist
wird aber die von Ballaststoffen
befreite reine Substanz bessere und
zuverlássigere Wirkung haben
(Chinin, Strophantin u.s.w.). Es
handelt sich eben nicht um prinzi-
pielle sondern nur um graduelle
Unterschiede.
Im Prinzip ist es völlig gleich-
giiltig, ob ich z.B. eine Arsenkur
durch Trinkenlassen eines Arsen-
haltigen Wassers (Dúrckheim, Le-
vico u.s.w.) vornehmen lasse, ob ich
dem Kranken As in Pillen oder
Tropfen gebe, oder es injiziere.
Letzteres werde ich tun, wenn eine
rasche Wirkung notwendig ist oder
wenn der Zustand des Magens die
Zufiihrung per os verbietet. Ist
aber sofortige Hilfe bei einer
schweren Anaemie wie nach einer
profusen Blutung notwendig und
wiirde die Anregung der Blut-
regeneration durch As oder Le
zu spát kommen, dann wird eine
Bluttransfusion das einzig Richtige
und Naturgemásse sein. Aehnlich
liegt es mit der Behandlung der
perniziösen Anaemie: Auch hier
kann ich das Natur-Praeparat Roh-
leber geben, die anfangs allein mög-
liche Art der neuen Behandlung.
Wenn diese aber, wie gewöhnlich
nach einiger Zeit, dem Patienten
widersteht oder nicht immer frisch
zu haben ist, werde ich eins der
bekannten standardisierten Praepa-
rate innerlich oder per injectionem
geben. Dieses eine Beispiel — es
liessen sich beliebig viele andere an-
fúhren. — zeigt deutlich, wie flies-
send die Uebergánge zwischen Na-
turheilmethode und Arzneibehand-