Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1956, Page 24
4
wichtigsten Werke iiberhaupt gelten kann. Einzelne Teile der GB
sind schon friiher bei allgemeineren Darstellungen beigezogen wor-
den, so von Bjorn K. Borolfsson und Hægstad, Teile ihres Wort-
schatzes sind in Cl-Vigf und WN verwertet. Eine besondere Dar-
stellung ihrer Sprache drångt sich jedoch um so mehr auf, als die
GB die Moglichkeit bietet, anhand eines umfangreiehen und doch
noch in allen Details zu bewåltigenden Materials Auskunft iiber den
Stand der isl. Sprache in der 2. Half te des 16. Jahrhunderts zu
geben, und als sie am Anfang der gedruckten religiosen Literatur
steht, die wåhrend mehrerer Jahrhunderte einen starken Einfluss
auf die isl. Schriftsprache ausubte1.
Die vorliegende Untersuchung hat demgemass eine doppelte Auf-
gabe zu erfiillen. Sie soli einerseits einen Querschnitt durch die isl.
Sprache des 16. Jahrhunderts iiberhaupt vermitteln, d. h. alle Mog-
lichkeiten, die damals in der isl. Sprache lagen, soweit sie in der
GB in Erscheinung treten, registrieren, anderseits soli sie aber auch
zeigen, wie diese Moglichkeiten in einer bestimmten sprachlichen
Schicht, in der in der 2. Hålfte des 16. Jahrhunderts von Bischof
GuSbrandur Forlåksson auf Holar gedruckten religiosen Oberset-
zungsliteratur, verwirklicht sind.
So einheitlich das Isl. auf den ersten Blick in alter und neuer
Zeit erscheinen mag, so lassen sich doch verschiedene sprachliche
Schichten voneinander abheben. Vor allem das Verhaltnis von ge-
schriebener und gesprochener Sprache ist heute wie auch im 16. Jahrh.
von Interesse. Auf dem Gebiet der Flexion bestehen im modernen Isl.
zum Teil wesentliche Unterschiede zwischen der schriftsprachlichen,
ans klassische Aisl. angelehnten Norm und der natiirlich entwickel-
ten gesprochenen Sprache (z. B. mask. ia-St. GenSg læknisjlælcnirs
usw.). Die gesprochene Sprache weist zahlreiche Lehn- und Fremd-
worter auf, die von der Schriftsprache abgelehnt und durch ein-
heimisches Wortmaterial ersetzt werden. Das Verhaltnis der beiden
Sprachschichten im heutigen Isl. ware einmal einer besondern Un-
tersuchung wert. Im 16. Jahrh. gestaltet es sich etwas anders. Die
GB zeigt zwar einzelne deutlich traditionsgebundene schriftsprach-
liche Ziige: z. B. weitgehend bewahrtes e in eg und eta, weitgehende
1 vgl. Jon Helgason: Från Oddur Gottskålksson till Fjolnir, tre hundra års
islandsk språkutveckling (Skrifter utgivna av samfundet Sverige—Island 1, Upp-
sala 1931, SS. 36—50).