Mitteilungen der Islandfreunde - 01.10.1914, Blaðsíða 28
Hatte man beim Lesen eine Angabe oder auch nur Andeutung vermiBt,
welche Zeit verstrichen ist zwischen der Bekraftigung von Haddas und
Ingolfs Liebe und der Verlobung Ingolfs mit Kristrún, waren einem nament-
lich beim Verdolmetschen von Ingolfs Rechtfertigungsversuchen die Worte
öfters nur stockend und widerstrebend iiber die Lippen gekommen, so hat
man bei der nun folgenden Handlung des vierten Aktes ein sich immer
wieder meldendes Unbehagen: Wie wird sich der darzustellende Vorgang,
das Hinabsteigen eines Angeseilten, szenisch so wiedergeben lassen, da!3 die
durch die Nebenumstánde verursachte unheimliche Spannung andauert,
ohne jenen bekannten Schritt ins Lácherliche zu machen ? Wir sind am
Rande jener Schlucht, von der öfters die Rede war. Ingolf und sein Schwager
haben bereits vergebliche Abstiege nach Haddas Perlenhalsband gemacht
Hadda kommt zu ihnen und will nun selbst den Versuch machen. Ingolí
und der Schwager suchen sie, auch mit List, davon abzubringen, aber ver-
gebens. Wieder will sich Hadda in Ingolfs Hand begeben. Der Schwager,
der zuerst das Seil mit festhált, muB weggehen und von einem höher ge-
legenen Felsen aus Hadda von Zeit zu Zeit zurufen. Sie kommt glucklich
unten an, pfluckt Angelika, die am Seile in die Höhe gehiBt w'erden. Die
Vorbereitungen fiir Ingolfs Standort und ihr Wiederemporkommen hatte
Hadda so einzurichten versucht, daB sie Ingolf mit in die Tiefe hinabziehen
konnte. Da sie in diesem Ingolf unbewuBten Wettkampf der Körperkráfte
nicht Siegerin bleibt, durchschneidet sie, kurz bevor sie die Ilöhe wieder-
erreicht hat, das Seil und stúrzt in den Abgrund hinab.
Wáhrend des Lesens taucliten Erinnerungen an andere Frauengestalten
der nordischen Literatur auf, die fúr ihre Liebe kámpften; bisweilen glaubte
man auch das Drama von dem Manne zwischen zwei Frauen vor sich zn
haben. Doch lassen wir die Vergleiche und die Erinnerungen. Seien wir
dankbar fúr die Zeichnung einer groBen, stolzen Liebe, fúr den gewáhrten
Einblick in die Seelen von Islands Jugena und fúr die immer lebendige,
anschauliche, dichterisch schöne Sprache. Islandfreunde werden ihre be-
sondere Freude haben an den verwerteten Márchen und sonstigem Volks-
kundlichen.
Arns/adí i. Th. Georg Meurer
VII. BÚCHERBESPRECHUNGEN
i. HEINRICH ERKES, Neue Beitráge zur Kenntnis Inner-Islands. Mit i5
Abbildungen auf 7 Tafeln. (Mitteilungen des Vereins fiir Erdkunde zu Dresden, Bd. U>
Heft 9, S. 1—52.)
Auf dieser seiner funften Islandreise im Sommer 1913 besuchte Herr H. Erkes noch
einmal verschiedene wenig bekannte Gegenden im innerislándischen Hochland und
untersuchte vor allem die nordöstliche Ecke des Hofsjökull (Arnarfellsjökull), wo er
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