Mitteilungen der Islandfreunde - 01.01.1925, Blaðsíða 2
Meine Lieblingslieder
wiegen sanft dich ein.
Uberm Wellenscháumen
dumpfe Töne klingen,
still, still, still, das Tráumen
wird dir Ruhe bringen.
(tíbersetzt von Dr. Alex. J óhannesson)
II. EGrlLS RELIGIÖSE STELLUNG
Seinen geistreichen Ausfiihrungen iiber die ,,Völuspá“ hat Professor Sig-
Nordal eine weitere höchst interessante Arbeit folgen lassen iiber die
religiöse Einstellung des beriihmten Kámpfers und Skalden Egill Skalla-
grímsson. Dieser tiitt uns in seinem Eiede Sonatorrek1 (Der Söhne Verlust)
in einer Weise persönlich entgegen, wie es auf Island vor dem 19. Jahrhundert
sich nicht wieder findet. Der Verf. stellt aber fest, daB die Erklárer bisher
den wichtigsten Punkt dieses Eiedes nicht erkannt haben. Der Anfang ist
leicht zu verstehen: Egil schildert den schweren Verlust, den er erlitten.
und damit sein Geschlecht (denn der einzelne kommt nur als Angehöriger
seines Geschlechtes in betracht) und klagt iiber seine Ohnmaclit zur Rache
an dem Meere, das ihm die Söhne nahm. Dann aber wendet sich sein An-
griff gegen Odin, und findet sich zum SchluB mit ihm wieder ab. Was soll das
hier? Das ist die Hauptfrage, die bisher nicht oder falsch beantwortet
wurde; die Eösung geht aus von den Worten görðum tryggr at trúa hánurri-'
ich wurde darin treu ihm zu vertrauen2. N. meint, daB man in dieser Weise
nicht von seinem Kinderglauben spricht; den nimmt man nicht erst an. Da
muB ein Wechsel eingetreten sein, eine religiöse Krisis.
In der Wikingerzeit, in der die Nordgermanen ins Tageslicht der Ge-
schichte eintreten, stehen uns zwei Lebensideale vor Augen, der Bauer und
der Wikinger, charakterisiert durch ihre Hauptgötter: Thoi und Odin. Thof
ist der Hauptgott der Volksmenge. Mit seinem Namen sind zahllose EigeO'
namen zusammengesetzt, deren Tráger also ihm geweiht und seinem vSchutz
befohlen. Sein Hammer ist das Zeichen, mit dem man sich gegen alles Böse
schiitzt. Ihm ist der Tborstag geweiht. Wie das Althing in alten Zeiten au
einem Donnerstag eröffnet wurde, so beginnt auf Island der Sommer noch
heute an einem Donnerstag. Wie wir in den Sagas von Tempeln hören, ist
Thor am meisten verebrt. Er ist das lebendige Abbild eines guten Bauern,
scbwerfállig und zuverlássig, scheint etwas einfáltig, aber auch imstande,
guten Rat zu erteilen. Seine Heerfahrten dienen dem Landesschutz (nicb*
1 Un s zugSnglich in Thule III, S. 229. 8 Die Ubersetzung Niedners „Und ich vertraute
n Tr eue ihm", laBt dieses „ich wurde treu" nicht hervortreten, Str. 21).
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