Mitteilungen der Islandfreunde - 01.01.1927, Blaðsíða 10

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.01.1927, Blaðsíða 10
zuerst hört und beantworten muB. Wenn sie von Hindenburg „gamla" sprechen, so liegt darin die ganze zartliche Verehrung, mit der sie von Gunnar sprechen, von Njáll und Grettir und ihren anderen alten Helden, ebensosehr aber ist ihnen dieser Mann der Inbegriff des unzerbrechlichen Deutschland, vor dem sie eine unbeschriinkte Achtung haben. Sichtlichen Anteil an diesen kurzen, hin und herspringenden Gespráchen nimmt Gunna gamla1, die alte Arbeitsfrau, wie sie mit ihrem Zug von ergebener Giite und Kinderliebe um Mund und Augen, mit ihren machtigen, arbeitsharten Handen und ihren jungfernhaft-eckigen Bewegungen zu jeder islandischen baðstofa gehört. Sie schaukelt auf ilirem Bettrand leicht hin und her, wie man es die Islander meist tun sieht, zwischen ihren dicken roten Hánden spielen die Stricknadeln unaufhörlich mit dem fetten braunen Faden der heimischen Wolle — wenn etwas besonders Interessantes an ihr Ohr schlágt, hört sie einen Augenblick auf zu schaukeln und fahrt sich dafiir mit einer Stricknadel in die dunn gewordenen, aber immer noch zu ein paar sauber geflochtenen Hangezöpfen ausreichenden Haare. Der junge Bursche, der mir gegeniiber spielt, hat die guten, klugen dunklen Augen seiner Mutter, die Madchen dagegen mit ihrem reichen blonden Haar und klaren grau- blauen Augen gleichen mehr dem Vater. Die gelassene Art all dieser Menschen hat etwas so Ansprechendes, daC man in einer baðstofa immer sehr bald aus der Rolle des fremden Beobachters hineingezogen wird in ein selbstverstandliches Mitdabeisein. Dies allerdings erst dann ganz und gar, wenn man den Leuten in ihrer Sprache nahekommen kann. Dafiir haben die Islánder vielleicht ein stárkeres F.mpfinden als irgendein anderes Volk. Auch darin fugt man sich sehr schnell der Selbstverstándlichkeit der Sitte, daB man sich auf keine Weise daran stöfit, in der baðstoía, dem gemeinsamen Wohn- und Schlafraum der Mánner und Frauen, ubernachtcn zu mfissen, wie es doch oft genug vor- kommen kann. Als etwas Besonderes empfinde ich in dieser Nacht nur, dafi die zwei Mádchen, die Gáste von einem der náchsten Höfe sind und mir gegenuber in einem nur durch ein dönnes Zwischenbrett von dem meinen getrennten Bette schlafen, mitten in der Nacht furchterlich laut tráumen, ohne dafi jemand anders in der grofien Stube sich von diesem Angstgeschrei auch nur wecken liefie. Friih um 5 erwache ich dann noch einmal. Zwei der álteren Söhne des Bauern machen sich auf, um ein einzelnes vermifites Schaf zu suchen. Am Abend vorher war lang und breit dariiber gesprochen worden und ich erstaunte mal wieder, wie genau die Bauern jeden Hiigel und jede kleine Ver- tiefung des ausgedehnten Gelándes kennen, in dem ihre Schafe geheu, wie auch der um- liegenden Gegenden, wohin sich die Tiere oft verlaufen. Als die beiden die Tiir nach draufien öffnen, höre und spiire ich, dafi es draufien kalt ist und heftig stiirmt. Dann schláft man weiter bis in den spát dámmernden Tag. Dieser Tag war kiihl und sturmisch. Zuweilen wirbelten ein paar Schneeflocken. Als ich die grofie Briicke iiber die kalt und graugrún zwischen vereisten Ufern hin- strömende ölfusá hinter mir liatte, griifiten mich, in schwachen Linien aus grauem Dunst hervortretend, die grofiartigen Berge jenseits der Rangárvellir, der Eyjafjalla- jökull, der Príhyrningur, die Hehla, das Búrfell. Allmáhlich wurde es klarer, und ehe die Dámmerung sank, sah ich die Firnfláchen der Gletscher matt zu mir heruberleuchten, die Zacken des Þríhyrningur klar sich ablösen von dem Wolkenschleier dahinter und — das Schönste von allem — die wundervolle, in leichter Verjúngung aufsteigende Kuppe der Hekla mit ihrer königlichen, ebenmáfiigen Ruhe in den Himmel sich heben. Dieser Himmel war dámmerig blau, der schöne Berg selbst aber leuchtete im weichen, unberúhrten Weifi des Höhenschnees. — Als es schon dunkel geworden ist und ich úber die Þjórsárbrú gekommen bin, höre ich plötzlich Pferdegetrappel vor mir; dann ruft auch schon jemand meinen Namen, und dann steht er vor mir zwischen zwei schnau- benden Pferden und wir begrúfien uns lierzlich. Das ist Guðmundur frá Ægissíðu. Seit wir im vorletzten Herbst zusammen in den „göngur" gewesen sind und úber eine Woche lang beim Einholen der Schafe aus dem Sprengisandur zusammen gelebt haben, i Koseform för Guðrún. 34

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