Rit (Vísindafélag Íslendinga) - 01.06.1949, Page 30
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bescheidenerem Massstab — tritt uns daher das Winter-
vogelleben der menschlichen Ansiedlungen auf dem Lande
entgegen, wo jeder Bauernhof einen natiirlichen Konzen-
trationspunkt fíir die Vogelwelt ausmacht. Qualitativ be-
trachtet ist das Bild im grossen und ganzen das gleiche
wie in der Stadt: Raben und Schneeammern sind auch
hier die háufigsten Vögel, wáhrend die Rotdrossel aus den
schon dargelegten Gríinden anscheinend nur ganz verein-
zelt beobachtet wird. Zaunkönige sollen sich dagegen bei
den Höfen nicht so selten zeigen, was wohl als Folge des
örtlichen Insektenreichtums anzusehen ist. In manchen
Gegenden kommt es schliesslich vor, dass auch Wasser-
rallen (Rállus aquaticus) in Viehstállen oder anderen Ne-
bengebáuden angetroffen werden, wo sie gelegentlich
Schutz vor dem Winter suchen.
Nachdem wir so einen kurzen Blick auf die wenigen,
im Bereich der menschlichen Ansiedlungen iiberwintern-
den Arten geworfen haben, wenden wir uns nunmehr den
Vogelgemeinschaften des Kiistenbiotopes zu und betreten
damit zugleich den eigentlichen Schauplatz des islándi-
schen Wintervogellebens. Beinahe so schnell und bequem
wie im Geiste können wir diesen Schritt auch in der Wirk-
lichkeit tun, wenn wir eine der vom Reykjavíker Stadt-
zentrum nach Norden fiihrenden Strassen verfolgen, die
uns in wenigen Minuten zum Hafen bringt. Hier wird un-
sere Aufmerksamkeit zunáchst durch die zahlreichen
Möven in Anspruch genommen, die bekanntlich neben den
artlichen Unterscheidungsmerkmalen noch die auffálligen
Verschiedenheiten der Alterskleider zeigen, was ihre Be-
stimmung — zumal fur den weniger Geúbten — nicht eben
erleichtert. Unbestritten die háufigste, sowie durch ihre
Grösse und kontrastreiche Schwarz-Weissfárbung am
stárksten hervortretende Art ist die Mantelmöve (Larus
marinus), die sich als Wintervogel in alten Altersstufen
rings um die Kústen des Landes verbreitet findet. Dabei
scheint die Anzahl der ausgefárbten Exemplare die der
unreifen Jungvögel im ganzen recht merklich zu úber-
treffen, was zum Teil sicher darin begrúndet liegt, dass