Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1922, Blaðsíða 18

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1922, Blaðsíða 18
Es findet sich fiir Schundliteratur immer noch verbluffend viel Geld in Deutschland, und bei dem Hunger nach GroBem und Gutem, der jetzt mehr denn je in der deutschen Seele wiihlt, sollte sich keines finden, einem Werke das Bestehen zu erleichtern, das geschaffen ist, Urschátze des Germanentums zu heben und zu beweisen, daB Deutsch- land in aller Not nicht vergessen hat, daB es die fiihrende Kulturmacht bleiben will ? Anna Hil. v. Eckhel V. ALTNORDISCHES IN NEUER BELEUCHTUNG1 I. DER TOTENGLAUBE Die zahlreichen Erscheinungen vonToten, denen wir in der altnordischen Literatur (Edda, Fornmannasögur und ’lslendingasögur) begegnen, hat man bisher auf „ani- mistische” Weise zu erkláren gesucht; man bemiihte sich, diese Angaben auf den Seelen- glauben, in dem man ja gern seit E. Rohde den Anfang aller Religion sah, zuriickzu- fiihren und sich mit der Form, in der diese „Seelen" sich zeigen, irgendwie abzufinden. Demgegeniiber wies G. Neckel in seinem Buche; Walhall2, S. 37, darauf hin, „daB der heidnische Germane nichts davon wuBte, daB er eine Seele habe, die lánger zu leben vermöge als der Leib. Er war sich Þorsteinn oder Gísli, und als solcher uberlebte er den Tod, ein körperhafter Mensch, eine lebende Leiche. E. Mogk3 wies darauf hin, daB man den Seelenglauben als die Wurzel der Religionen aufgeben musse, veranlaBt durch die besonders von Söderblom betonte ursprúngliche Vorstellung der „Macht"; von anderer Seite her hatten K. Th. Preufi und Vierkandt in einigen Artikeln der Zeitschrift Globus dié Ursprúnglichkeit des Seelenglaubens erschúttert. Jetzt hat die Art, wie primitive Völker sich das Fortleben des Toten und seine Erscheinungen vorstellen, ausfúhrlich erörtert II. Naumann im 2. Kapitel seines unten1 genannten Buches. Das Buch umfaBt, wie der Titel sagt, einen viel weiteren Rahmen. Der Verfasser tut dar, „wie die V°lkskunde die Brúcke zwischen zwei Wissenschaften sei, der Völkerkunde auf der einen und der Kulturgeschichte auf der anderen Seite”. Und er hat gezeigt, wie sich eine klare Scheidungslinie durch das weite Arbeitsgebiet der Volkskunde nur dann ziehen lasse, wenn man an jede auch noch so geringfúgige Einzelheit mit der einen Grund- frage herantrete, ob sie aus den Tiefen der primitiven Gemeinschaft komme und im Bereich der Völkerkunde liege, oder ob sie gesunkenes Kulturgut sei und im Bereich der Geistes- und Kulturgeschichte liege, ob sie kurz gesagt, von unten oder von oben stamme. In dem Buche wird diese Frage auf den Totenglauben, den Schutzgeisterglauben, das Márchen, das Volksschauspiel, das Rátsel, das Bauernhaus und den Bánkelgesang angewandt und deren Beziehung zu jenen beiden Welten behandelt4. Von alledem hier zu berichten, ist nicht angebracht, wir beschránken uns auf diejenigen Abschnitte, fur die ein guter Teil des Stoffes aus islándischen Quellen stammt. Das ist das Kapitel vom Totenglauben, auf dem auch etliche Márchenmotive beruhen, und der Abschnitt úber den Schutzgeisterglauben. Die Trennung von Leib und Seele ist fur den Primitiven, der auf der Denkstufe eines Kindes steht, eine viel zu abstrakte Vorstellung; der Unterschied von Schlaf und Tod wird nicht erfaBt, wie auch der Primitive von der Identitát des Traumerlebnisses und des wirklichen Erlebnisses harmlos úberzeugt ist. Darum verliert auch nach der Meinung dieser von Naumann mit dem anderweitig schon gebráuchlichen Worte als práanimistisch bezeichneten Zeit primitiver Auffassung der Mensch mit dem Eintritt des Todes nicht die Eigenschaften des lebenden Körpers; es kommt kein Erlöschen des Lebens in Frage, weil das Leben tiberhaupt als ein dem Menschen zeitweilig verliehenes Geschenk noch nicht begriffen ist. Da man also tiber die Bedeutung der mit dem Tode vor sich ge- 1 H. Naumann, Primitive Gemeinschaftskultur. Jena, Diederichs, 1921. 2 Dortmund, Ruhfus, 1913. In unserer Búcherei Nr. 85. 3 Altgermanische Spukgeschichten (Neue Jahrbiicher rgrg I, ro3 ff.). In unserer Búcherei Nr. 295. * Die Inhaltsangabe ist vom Verf. selbst gegeben in „Das deutsche Buch“, 1. Jahrg. 1921, Heft 10/11, S. 2. 14

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