Mitteilungen der Islandfreunde - 01.01.1925, Page 14
den. Gegon Erkáltungskrankheiten sind die abgehárteten Islándcr Píerde besser geíeit
als die unsrigen, trotz der oft rauhen Behandlung. Icli kann mich kaum erinnern, daO
ich Tiere darunter leiden sah.
Das Zusammenbinden der VorderfiiBe, das meist nur auf Reisen angewandt wird
und die Tiere am Entlcommen wahrend der Nacht verhindern soll, erscheint Schrader
wenig human, weil die Tiere in ihrer Bewegungsfreiheit so sehr beliindert werden. Er
wiirde seine Ansicht wohl geándert haben, wenn ihm, wie einst meiner Reisegesellschaft,
mehrere Pferde wáhrend einer Nacht mit zusammengebundenen FiiGen meilenweit
davongelaufen und durch einen breiten und reiOenden FluO geschwommen wáren. Auch
wird er wohl selbst kein besseres Mittel aufzugeben wisscn, das den Pferden gleichzeitig
das Suchen des Futters ermöglicht.
Unverstándlich ist es mir, wie Schrader sich uber das islándische GebiO (Zaumzeug)
so sehr entriisten konnte, das keinesfalls schárfer wirkt als unsere Kandare. Seine Be-
merkungen uber Reitzeug, Sitz und Haltung des Reiters wirken, als ob ein schnauz-
bártiger Kavallerie-Wachtmeister der guten alten Schule das schwere Geschutz des
Exerzierreglements auf ein harmloses Bauernvolk herabdonnern lieBe. Schrader vergiflt
eben, daB die meisten islandischen Pferde richtige Bauerngáule sind, die nur mit groben
Hilfen, durch Schlagen mit den Schenkeln und reichlichen Gebrauch der Peitsche in
ein gemáchliches Trábchen versetzt werden können, falls sie einzeln gehen sollen. Sie
mússen aber alle gelegentlich zum Reiten gebraucht werden, und zwar oft von Reitern,
welche nur selten Gelegenheit haben, im Sattel zu sitzen. AuBerdem ist zu bedenken,
daB die Islánder-Ponys, bei denen die FúBe des Reiters fast bis auf den Boden herab-
hángen, ganz andere Gangarten haben (Pa3gang, ,,TöIt“, dagegen Leichtreiten unmög-
lich) als unsere hohen Pferde und mit anderen Hilfen geritten werden mússen.
Wenn aber in dem Buche behauptet wird, daB die Islánder sich ,,die besten Reiter
der Welt" nennen, daB sie Angst vor dem „Durchgehen" ihrer Pferde besitzen und
diese „grausam behandeln", dann verfállt der Verfasser ganz in den Stil der amerikani-
schen Reporter, die nur, um interessant und sensationell zu wirken, Ausnahmen verall-
gemeinern und ihrer Phantasie gelegentlich freien Lauf lassen.
Insbesondere den Vorwurf der Grausamlccit möchte ich auf das Energischste zurúck-
weisen. Ein Tierquáler, wie der Italiener, ist der Islánder wahrhaftig nicht. Jeder, der
den gutmútigen, fast zu weichlichen Charakter des Volkes kennt, wird dies fúr ausge-
schlossen halten.
Was die Entwicklung des 1913 eröffneten Pferde-Gasthauses Caroline-Rest in Akureyrí
bctrifft, so weiO ich nur, daO es noch existiert. Zwar ubernachtete ich selbst mehrmals
wáhrend der Sommerszeit in Akureyri, lieB aber meine Pferde stets auf die gewohnte
Weide bringen, damit sie sich frisches Futter selbst suchen konnten. Zur kalten Jahres-
zeit, in der nur wenig gereist wird, mag ein solcher Stall ganz ntitzlich sein. Jedenfalls
ist mir nicht bekannt, daB diese Einrichtung an andcren Stellen Islands Nachahmung
gefunden hátte.
Núrnberg Dipl.-Ing. Gustav Funk
VIII. JÓHANN JÓNSSON
Biographische Notizen: Jóliann Jónsson ist am 12. Septbr. 1896 in Stoðarsladur gc'
boren, aufgewachsen in dem Fischerdorfe 'Olafsvík (Westland), bis er die Allgemeine Bil-
dungsschule in Reykjavík bcsuchte. Seit Ende 1921 befindet er sich als Student der
Germanistik an dcr Univcrsitát Leipzig. Er ist verheiratet mit Nikolina 'Arnadóttir
aus Reykjavík (frúher in 'lsafjörður).
Lange blicb er uns eigentlich unbekannt. Er ging nie aus sich heraus, wie úberhaupt
Schwerfálligkeit oder besser — eiue ungeheure Langsamkeit das Kennzeichen dieser
Nordlánder ist. Amfinnur Jónsson, der sich als erster Islánder in unserm studentischen.
Verein1 eingestellt hatte und der jetzt wieder in seiner Heimat (Eskifjörður im Ostland)
1 Studentische Reformvereinigung „Herminonia" an der Universitát Leipzig.
46