Mitteilungen der Islandfreunde - 01.01.1927, Qupperneq 7
ist mir noch schwerer geworden als der Verzicht auf den Ystiklettur. Noch
manchmal habe ich mich umgeschaut und sehnsiichtige Blicke hiniiber-
gesandt nach dem Gebirge, das da vor unseren Augen lag in seiner grofi-
artigen Wildheit und strahlenden Reinheit.
Von den Kerlingarfjöll sind wir auf direktem Wege nach dem Hvítárvatn
zuriickgeritten, um doch vielleicht noch eine Gelegenheit zu einer guten Auf-
nahme dieses einzigartigen Panoramas zu erwischen. Auch diese Hoffnung
trog; das Wetter wurde imrner ungemiitlicher und schwere Regenwolken
senkten sich herab und verhiillten den oberen Teil der Berge. Am 26. Juni
brachen wir nacb vergeblichem Warten die Zelte ab, und ritten in strömen-
dem Regen zuriick nach Fremstaver. Der fjbergang iiber die Hvítá vollzog
sich glatt in hergebrachter Weise. Völlig durchnáBt, aber in vortrefflicher
Stimmung, langten wir auf unserem alten Zeltplatze an. Es gibt zweifellos
behaglichere Dinge, als am anderen Morgen angenehm durchwármt in die
kalten, glitschigen Kleider zu fahren und in einen eisigen Schneesturm
hineinzureiten. Es hat aber niemandem geschadet. Nur an irgendwelche
Beobachtungen war nicht zu denken; es regnete den ganzen Tag, und wir
waren froh, als wir am Geysir wieder in unseren Zelten lagen. Erstaunlich
war mir, wie in der kurzen Zeit unserer Abwesenheit sich ein geradezu iippiger
Graswuchs entwickelt hatte. Schon in Hólar war uns das aufgefallen, und
wir hatten desbalb unseren ganzen Vorrat an Schwarzbrot den Bauern iiber-
lassen.
Die Nacht hindurch regnete es ununterbrochen und am folgenden Tage —
es war ein Sonntag — auch, so daB alles Eederzeug durchnáBt wurde. Der
Ritt vom Geysir nach Austurhlíð war scheuBlich; aber unságlich war das
Wohlbehagen, als wir hier nach wochenlangem Zeltlager zum ersten Male
wieder in einem sauberen Bette die Glieder strecken konnten. Das Quartier
in Austurhlíð istin jeder Hinsicht vortrefflich. Am anderen Morgen (29. Juni)
teilten uns die Söhne des Bauern mit, daB etwa eine halbe Stunde vom Ge-
höft entfernt in einer Schlucht der Islandjalk horste. Das war eine Nachricht!
Sofort machten wir uns auf den Weg dorthin. Den Horst fanden wir ohne
Muhe. Beider kamen wir 8Tage zu spát; die beiden Jungen waren vor kurzem
ausgeflogen und saBen auf den benachbarten Felsen. Nun gabs eine wúste
Kletterei mit der schuBbereiten Kamera bei strömendem Regen. Unglaub-
lich war die Múhe; aber der Iyohn bestand in einigen wohlgelungenen Auf-
nahmen, und das láBt alle Múhe und Gefahr vergessen; denn áhnliche Auf-
nahmen werden bisher schwerlich vorhanden sein.
Dankerfúllt nahmen wir Abschied von der gastlichen Austurhlíð. Dervier-
stúndige Ritt durch das ausgedehnte und romantische Waldgebiet zwischen
Austurhlíð und Laugarvatn bei gutem Wetter war prachtvoll. Zahllose Wein-
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