Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1922, Qupperneq 14

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1922, Qupperneq 14
Von unseren Fenstern in der Freimaurerloge hatten wir eine sehr schöne Aussicht. ImWesten sieht man die katholische Kirche mit Krankenhaus und Schule — es gibt eine kleine katholische Gemeinde in Reykjavík —, im Osten sieht man das Museums- und Reichsbibliotheksgebaude. Es ist aus Stein gebaut, reich und wohlgeordnet. Es war der Reichsantiquar Matthías Þórðarson, der uns dies zeigte. Reykjavik wird durch schöne Bronzestatuen verschönt, unter anderen eine des groBen Freiheitskampfers Jón Sigurðsson und des Königs Kri- stian IX. Ich sprach soeben von der Universitát, die vor io Jahreu gegriindet wurde und 4 Fakultáten hat. Vorher gab es 3 Hochschulen fur Theologie, Medizin und Jura. Die Hauptsache fur die islándische Universitát ist, Geistliche, Árzte, Lehrer und Juristen auszubilden. Sie hat noch keine groBen Hilfsmittel, und rein wissenschaftliche Forschung kommt deshalb in zweiter Einie. Im Osten und Westen von Reykjavík findet man groBe Fischereien und Einsalzungsanstalten. Weiter am Meere liegt ein groBes Eeprakranken- haus und noch weiter das Irrenhaus. í Der Hafen ist sehr groBartig und hat viel Geld gekostet, aber ist von groBem Nutzen fiir Island. Es gibt ungefáhr 200 Automobile und Motor- ráder in Reykjavík, meistens von Amerika eingefuhrt. Der gröBte Teil der islándischen Frauen kleidet sich in die National- tracht, die Mánner aber wie alle Europáer. Die Islánder sind sehr gesellig. Sie nehmen es einfach, aber sehr gemútlich. Meistens erlassen sie Einla- dungen zum Tee, wobei man Keks, Kuchen, Butter und Brot findet. Das Leben in Reykjavík wird allmáhlich recht teuer. Auch ist es fúr die Familien recht schwer, Dienstmádchen zu bekommen. Im Sommer reisen die Dienstmádchen meistens an die groBen Fischereien, wo sie pro Stunde 4—5 Kronen verdienen. Drei Monate im Sommer bleiben sie dort und können dann, wenn sie wollen, im úbrigen Jahr frei und angenehm leben. Gleich bei Reykjavík liegt eine gröBere Insel, Viðey. Im Jahre 1754 wurde dort ein groBer Herrenhof mit hohen Zimmern gebaut, daneben wurde eine eigentúmliche kleine Kapelle aufgefiihrt. Der jetzige Gutsbesitzer, Herr Eggert Briem frá Videy, ist ein grofier Patriot. Wir wurden dort eingeladen und verbrachten da den ganzen Tag. Nach der alten Sitte wurde uns erst Schokolade und dúnne Eierkuchen mit Kompot und Schlagsahne und Zuckerkuchen serviert, danach Kaffee ohne Gebáck, Vor dem Mittag- essen unternahmen wir einen Spaziergang und sahen die eigentúmlichen Felsen an. Auf der Insel gibt es eine Masse verschiedener Vögel, und wer fúr dieZoologielnteresse hat, fúr den kann es eineFreudesein, sie zu studieren. 10

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Mitteilungen der Islandfreunde

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