Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1922, Qupperneq 15
Die Tiire der Kapelle darf nie geschlossen werden; man sagt, dann er-
trinkt jemand in der See. Der kleine Kirchhof hat nur vier Gráber, da auf
dieser Insel keine anderen Menschen wohnen, als die, die zu dem Gut ge-
hören. Den Heimweg von Videy unternahmen wir abends mit einem Ruder-
boot; wir fuhren an das náchste Festland und machten wieder einen schönen
Spaziergang.
Ganz eigentiimlich sind die warmen Quellen. Die Islánder haben auch
davon einen groBen praktischen Nutzen. Gleich hinter Reykjavík hat man
groBe Bassins eingemauert, damit das warme Wasser sich ansammeln kann;
auBerdem hat man groBe Brauháuser angelegt fiir die Leute, die dort waschen
und Vorrichtungen, um die Kleider zu trocknen. Natiirlich ist es gut fur
die Islánder, warme Quellen zu haben, da sie arm an Holz sind. Island
ist arm an Wáldern, aber man hat nun begonnen, Wálder anzulegeu.
Eins von den sonderbarsten Naturphánomenen auf der ganzen Erde
ist auf Island. Es istÞingvellir, einPlatz, wo jáhrlich von 930 bis 1800 das
Allting zusammentrat. Man fáhrt jetzt dorthin mit dem Auto von Reyk-
javík. Fast den ganzen Weg, 5 Meilen, fáhrt man iiber wiiste Heide. Ringsum
sieht man die máchtigsten Hochgebirge in dem eigenartigsten Licht, welches
man kaum beschreiben kann. Oben auf dem Gebirge liegt Schnee, der
wie Silber glánzt. Von den Bergen herunter rinnen kleine Báche. Wir waren
20 Personen und fuhren in vier groBen Autos. Die lustigste und froheste
Stimmung herrschte. Auf einer Stelle des Weges sah man einen erloschenen
Vulkan, der purpurrot ist. Plötzlich hielten die Autos, und es wurde uns
geboten, uns einmal ordentlich umzusehen. Anfangs sahen wir nichts Merk-
wurdiges, doch dann sahen wir, daB der Weg steil in die Tiefe ging. Es war,
als ob die Erde durchgerissen wáre. Eangsam fuhren wir dorthin. Zur
linken Seite sahen wir sonderbare Kliifte, rechts noch eine bedeutend gröBere
Kluft und vor uns lag in der Tiefe der Þingvallasee mit kleinen Inseln.
Das Allting Islands hatte mich und meine Familie zu dieser Falirt ein-
geladen. Mit uns waren die Alltingsprásidenten, die Herren Dr. Guð-
mundur Björnsson — Chef des Reichsgesundheitsamts —, und Bjarni Jónsson
fiá Vogi. Der Reichsantiquar Matthías Þorðarson erzáhlte uus sehr interes-
sant von der historischen Bedeutung der Státten bei Þingvellir.
Die Autos hielten vor dem sogenannten Königshaus, das zu dem Besuche
des Königs Friedrich VIII. im Jahre 1908 gebaut wurde. Es war ein feier-
licher Augenblick, als der Prásident der ersten Kammer, Dr. Björnsson,
bei der Mittagstafel uns Schweden im Namen Islands am heiligsten Platz
der Islánder begruBte. Ich fand in meiner Antwort Gelegenheit, zu sagen,
daB es fúr Schweden eine Freude gewesen war, als wir die Mitteilung von
der Souveránitát Islands erhielten, Ich betonte auch das schöne Vorbild,
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