Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1922, Qupperneq 26

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1922, Qupperneq 26
Aber wie ist das alles durchgefiihrt, welcher innere Zusammenhang, welche Folge- richtigkeit! Ein Mensch lebt vor uns, wir empfinden mit dem verkommenen Saufer, wir verstehen ihn und denken gar nicht daran, ihn zu verachten. Aus dem einfachen Stoff ist eine práchtige Erzáhlung geworden. — Von den anderen Erzáhlungen scheint mir Spekingarinn (der Philosoph) am gelungensten. Der Ehrenmann, der in allem systematisch zu Werke geht, ein bescheiden-gluckliches einsames Leben (wenn auch nicht ganz frei von Sehnsucht) fiihrt, mit allem ins Reine gekommen zu sein jund anderen Fuhrer sein zu können glaubt, kommt in die Lage, eine tapfere mánn- iche Entscheidung fállen zu mussen, und versagt trotz aller Theorie kláglich; so zeigt sich, daB seine Einsamkeit und Zurúckgezogenheit letzten Endes auf innerer Schwáche beruht. Am Ende des Buches finden sich Fragmente von Gedichten in Prosa, die die Fúlle der den Verf. bescháftigenden Probleme und seine Gestaltungskraft von neuem bewáhren; schade, daB es nur Fragmente geblieben sind. Das Buch steht als ganzes nach Inhalt, Form und Gedanken hoch úber der ublichen Erzáhlungsliteratur. 2. EINAR H.' KVARAN, Sögur Rannveigar. I. R. 1919. Kr. 5,50. Uber die „Erzáhlungen Rannveigs“ will ich nichts sagen, dazu ist das Buch zu gut. Eine Inhaltsangabe wúrde keinen Begriff davon geben, und Bemerkungen, die zum Lesen anreizen múBten, sind zwecklos, weil eine deutsche Úbersetzung nicht im Bereich des zu Erwartenden steht. Die Erzáhlung ist lebendig, die Situationen anscliaulich, dieHauptpersonen menschlich natúrlich, und so tief und ernstdasganzeBuchist, herrscht doch darin ein so herzlicher, gesunder Humor, daB man nicht anders kann, als einzelne Szenen immer wieder zu lesen. Was hat der Verf. fúr ein tiefes Gemút! Keine seiner frúheren Erzáhlungen hat mich so angezogen. Ich freue mich auf einen zweiten Teil. — 3. AXEL THORSTEINSSON, Nýir timar 1917, Kr. 2,— und Börn dalanna 1918, Kr. 3,50.1 Das erste Heft (Neue Zeiten) gibt eine etwas idyllische Erzáhlung auf sehr ernstem Hintergrund. Ein junger Kaufmann in einem Fjord wird durch die treue Liebe einer práchtigen Frau aus dem Verderben, in das ihn Trunk und Spiel gestúrzt hatten, wo- durch bereits alle Willenskraft in ihm ertötet zu sein schien, gerettet. Die neugewonnene Kraft und sittliche Stárke treibt ihn dazu, einen Verein zu grtinden, der, aufgebaut auf Abstinenz und christlichen Glauben, der heranwachsenden Jugend das gute Beispiel túchtiger Menschen geben soll. Die Handlung ist also recht einfach, ja harmlos, aber die einzelnen Personen sind práchtig geschildert, vor allem der Pfarrer und der Arzt, die beide Trinker sind und sich schwer dazu entschlieBen, das Versprechen auf sich zu nehmen. Der Arzt tut es aus innerer Uberzeugung, der Pfarrer nur, weil er schlieBlich einsehen muB, daB es seine Pflicht ist, die Sache zu unterstútzen. Auch die Neben- personen sind lebendig, wenn auch nicht alle recht glaublich. Dazu kommt, daB die Stimmung in Natur und Menschen meisterhaft gelungen ist. Es ist ein echter Dichter, der uns das erzáhlt, der Sohn macht dem Vater (Steingrímur Thorsteinsson), den man den letzten Romantiker Islands genannt hat, alle Ehre. Auch der sittliche Ernst, der den Verf. beseelt, sei liervorgehoben; es ist ihm Ernst damit, an diesem Beispiel zu zeigen, was dem Volke not tut; es muB loskommen von dem Dámon Alkohol, der trotz aller Gesetze weiter wútet, und muB wieder zu festem christlichen Glauben sich er- heben; wie Haraldur Níelsson sieht er im Spiritismus ein Mittel, den christlichen Glauben zu láutern und zu stárken. — Das andere Búchlein (Kinder der Táler) enthált zwei un- gleichlange Erzáhlungen, die durch den Ort und die Personen zusammengehalten sind. Die erstere ist ein gemútvolles Stimmungsbild. „Wie der kleinc Högni starb", der sechsjáhrige práchtige Junge, dessen Ehrgeiz es ist, in praktischer Arbeit so túchtig zu werden wie sein Vater, und der sich ausmalt, was fúr práchtige Gaben er fúr Eltern und Geschwister machen will. An dieser Skizze ist alles práchtig, Natur- und Menschen- schilderung, und wie der Vater schlieBlich den Sarg fúr seinen Liebling selbst macht, damit nehmen wir bewegten Herzens Abschied. — Neisti heiBt das andere, gröBere Stuck, nach einem jungen Pferde, das eine wichtige Rolle in der Erzáhlung spielt. 20

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