Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1922, Qupperneq 29

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1922, Qupperneq 29
greifen, weil dadurch anderes ebenso wichtiges in den Hintergrund gedrángt wiirde. DenFachleuten ist bekannt, daö Nordal die'Olafssaga helga als ursprunglich selbstándige erste historische Schrift Snorris erkannt hat, die er dann nach vorn und hinten durch die vorausgehenden und folgenden Teile zu dem Buch ergánzt hat, das wir Heims- kringla nennen. Und dieser Erkenntnis entsprechend wird dann gezeigt, wie die wissen- schaftliche Richtung bei Snorri immer stárker (im AnschluB an das Vorbild Aris) sich entwickelt (gegenuber der mehr auf kunstvolle und anregende Darstellung aus- gehenden Richtung, die schon vor der ritöld die unaufgezeichneten fornaldarsögur be- herrschte). Ebenso wichtig wie diese literarhistorischen Feststellungen ist das fein- sinnige Eindringen in die Grunde, warum Snorri das und jenes aus seinen Quellen aufgenommen, umgestaltet, weggelassen, erweitert hat. Dabei ist aber der Verf. fur die Schwáchen seines Helden keineswegs blind; hat er schon im Skírnir 1916 gezeigt, wie Snorri zwar von höchstem Ehrgeiz beherrscht ist, aber ohne die innere Kraft, die politische Rolle, nach der er strebt, wirklich auszufiillen, so daB aus dem Streben nach Macht immer mehr ein Streben nach Ansehen, dem Schein der Macht, wird, so hat er diesmal das Charakterbild nach allen Seiten weiter ausgefiihrt und vertieft, nicht nur historisch, auch psychologisch und allgemein-menschlich und durch Vergleiche mit den Weltanschauungen in alter und neuer Zeit in allgemeingiiltiger Weise festgelegt. Einen Satz möchte ich anfiihren, der es verdient, herausgepfliickt zu werden: „Nichts konnte die islándische Sögur veralten machen. Sie werden so wenig altmodisch wie das Leben selbst. Und sie harren des Tages, wo die Welt sie zu lesen lernt, wie sie sind, ohne zu glauben, sie verbessern zu sollen." ÐaB man die Heimskringla lesen lerne, das ist vielleicht das wichtigste Ziel dieses Buches. Wir haben wohl Aussicht darauf, daB demnáchst in der Sammlung Thule eine Ubersetzung dieses Werkes erscheint, aber die Möglichkeit, daB uns diese An- leitung, mit wirklichem Verstandnis zu lesen, in deutschem Gewand geboten wird, ver- mag ich leider nicht zu erhoffen. Wiirde die Heimskringla (und auch Snorris Edda) den Deutschen mit einer solchen Einfuhrung zuteil, dann wiirde das Interesse fiir altislándisches Schrifttum bei uns erst recht erwachen. Einstweilen muB ich mich mit diesem Hinweis begniigen, vielleicht kann ich nach Erscheinen der Ubcrsetzung des Textes auf einzelnes zuriickkommen. W. H. 2. J'ON SVENSSON, Die Stadt am Meer, Nonnis neue Erlebnisse. Freiburg i. B. Herder 1921. Geb. Mk. 54,— (dazu Sortimentszuschlag). Die Jugenderinnerungen des P. Jón Svensson aus seiner islándischen Heimat (Akureyri) und von seiner abenteuerlichen Fahrt nach Kopenhagen haben groBen Anklang ge- funden und sind auch in unserer Zeitschrift wiederholt geriihmt worden. Der neue Band erzáhlt von den Erlebnissen des Jungen in Kopenhagen, wo er auf die Beendigung des deutsch-französischen Krieges warten muBte, bis er nach seinem Reiseziel in Frankreich sich begeben konnte. Die Vorziige des gemutvollen Verf. sind bekannt. Es hat sich durchaus die Fáhigkeit bewahrt, die Denk- und Empfindungsweise des 13 jáhrigen Jungen nachzufuhlen und erzáhlt uns daher ganz im Stile eines solchen wackeren Jungen, was er da erlebt hat, welche Eindriicke in den ersten Tagen in der Weltstadt auf das Naturkind aus dem Norden einstiirmten, aber auch, wie er uberall rasch der Situation Herr wird und in seinem klaren Denken und unverdorbenen Hcrzen die richtige Stellungnahme findet und dabei sogar auf andere vorbildlich und erziehend wirkt. Ein echter germanischer Junge aber wird am wármsten werden beim zweiten Teil des Buches, das in uniibertrefflicher Lebendigkeit von einer Fahrt des 13 jáhrigen mit einem 11 jáhrigen Kameraden auf einem Segelboot iiber den Sund von Kopen- hagen nach Malmö erzáhlt und was da alles fiir Freuden und Leiden zu erleben waren. Wollte ich davon berichten, miiBte ich dem práchtigen Buche den Blutadler schneiden und das will ich nicht. Jedem Freunde echter und wahrer Jugendliteratur sei das vom Verlag sehr liiibsch ausgestattete Buch empfohlen; bedauerlich scheint mir nur der hohe Preis. Doch das kann ja wohl jetzt nicht anders sein. 23

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