Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1923, Blaðsíða 13
III. DIE GESCHICHTEN VOM MONDE IN DER
SNORRA-EDDA
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Kap. io der Gylfaginning erzahlt folgende Geschichte von Sonne und
Mond: Ein Mann namens Mundilfari hatte zwei Kinder, einen Knaben und
ein Mádchen, die er ihrer Schönheit wegen Mond (Máni) und Sonne (Sól)
nannte; das Mádchen, Sól, verheiratete er mit einem Manne namens Glenr.
Die Götter, erziirnt iiber Mundilfaris Hochmut, nahmen ihm seine Kinder
und versetzten sie an den Himmel, wo nun Sól den Sonnenwagen fuhrt,
wáhrend Máni den Gang des Mondes leukt. Máni nahm von der Erde die
zwei Kinder des Viðfinnr zu sich hinauf, Bil und Hjúki, die von einem
Brunnen kamen, auf einer Stange einen Eimer tragend. Die Kinder folgen
dem Monde, ,,wie man von der Erde aus sehen kann“.
Diese Erzáhlung — deutlich ein Trumm einer lángeren — ist die einzige
ausgefúhrte vom Monde, die wir aus altnordischer Uberlieferung kennen.
Es hat sicher auch noch andere gegeben. Darauf deutet u. a. eine Kenning
in der Hákonardrápa des norwegischen Skalden Goþþormr sindri (io.Jahr-
hundert), in der der Mond als Person und im Besitze einer Frau erscheint,
sowie das Vorhandensein nordischer Mondmárchen. So tritt z. B. in einem
islándischen Márchen (Rittershaus XXVI) der Mond als König auf, der
eine wunderschöne Tochter besitzt. Mundilfari in Snorris Oberlieferung
ist selbst schon der Mond. Das weist seinNameaus: „Einer, der sichnach
bestimmten Zeiten bewegt" (Egilsson-Jónsson, Dex. poet. u. d. W.), der
„Zeitmesser", eine Mondbezeichnung, die in altnordischer Uberlieferung nicht
vereinzelt dasteht (vgl. ártali „Zeitzáhler", Alvm. 14). Der Name des
Gemahls der Sól, Glenr (denselben Namen fúhrt auch ein RoB 'Oðins,
Gylfag. 14) bedeutet „der Glánzende". Die Beziehung des Namens zum
Glánzen hat schon A. Kock (Arkiv f. nord. fil. 1898, S. 264 !•) erkannt,
mit Kocks Deutung auf einen „hellen Fleck im sonst wolkenlosen Himmel“
ist aber nichts anzufangen. Nalie liegt der Gedanke, daB auch Glenr nie-
mand anderer ist als der Mond, der ja als Gatte der Sonne keine merk-
wúrdige Erfindung ist. Der Vater von Bil und Hjúki heiBt Viðfinnr, „Wald-
Dappe“, d. h. der im Walde hausende Dappe. (Vgl. viðbjorn = skógarbjorn,
Grágás II, 189.) Wie dieser „Wald-Dappe“, dessen Name nichts mit dem
Monde zu tun hat, hierher komint, ist unklar. Man denkt an das Márchen
vom Manne, der am Sonntage Holz fállte und dafúr zur Strafe in den Mond
versetzt wurde. Es wáre immerhiu denkbar, daB auch die nordische Uber-
lieferung eine solche Gestalt kannte, deren Rolle allmáhlich verwischt
wurde. Auch bei den beiden Kindern, die der Mond zu sich nahm, denkt
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