Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1923, Qupperneq 24
VH. GUNNLAUGUR EINARSSON
(Ein islándischer Spezialarzt)
Die medizinische Schule der Wiener Universitat ist seit mehr als hundert Jahren
beriihmt und wegen ihrer hohen Leistungen und der fiihrenden Gelehrten in der
ganzen Welt bekannt. Schon seit Maria Theresias Zeiten, deren Leibarzt Gerhard van
Swieten die Oberleitung der arztlichen Schulen innehatte, waren die Wiener Árzte hoch
angesehen. Ich greife einige noch heute sehr gelaufige Namen von Professoren um die
Mitte des vorigen Jahrhunderts: Hebra, Arlt, Oppolzer, dann Jiokitansky und der groCe
Hyrtlheraus, um uhcr Weinleclmer, Billroth,Albrecht, Notnagel zu Eiselsberg zu kommen.
Kein Wunder, daC dem jungen strebsamen islandischen Arzt Gunnlaugur Einarsson, der
2 Jahre in Norwegen praktizierte und sich fiir das Spezialfach der Nasen-, Ohren- und
Halserkrankungen ausbilden wollte, geraten wurde, nach Wien zu gehen. Im Vorjahre
studierte Einarsson auf den Kliniken der Professoren Neumann und Hayek und tíber-
ragte an Kenntnissen und Gescliicklichkeit seine meisten Kollegen, so daB ihm frtíher
als anderen selbstándige Eingriffe und Operationen anvertraut werden konnten. Ich
bin zwar kein Arzt, aber ich habe forensische Medizin studiert und als Richter in körper-
lichen Verletzungen an Lebenden und bei vielen Obduktionen Erfahrung gesammelt,
wenn auch die Psyche der Verbrecher das Hauptinteresse beansprucht. Und aus diesen
Grtinden, sowie als Patient, der sich mehrmals wegen eines Kehlkopfkatarrhes und
eines Kieferhöhlenleidens von dem befreundeten islándischen Arzt auf der Wiener Klinik
behandeln lieB, kann ich die Geschicklichkeit und Genauigkeit, das Wissen und die
groBe Beliebtheit bei den Patienten, die sich lieber von dem sympathischen, stattlichen
Nordlander, als von kleinen dicken, dunkelháutigen Kollegen behandeln lassen wollten,
beurteilen und gebtíhrend wtirdigen.
UnvergeBlich bleibt mit der Anblick, als der groBe helle Einarsson mit einem kleinen
mongoloiden Kollegen aus Siam, dessen gelbes Pigment und Augenstellung sonderbar
abstach oder mit seinem spanischen Kollegen sprach: Nordlicht und Gewitternebel! Is-
lándische Arzte, aber auch Philologen und Techniker, können an den Wiener Schulen
geistiges Kapital von groBem Werte erwerben.
Wien. Dr. Hans Jadcn
VIII. NACHRICHTEN AUS ISLAND
i. Die Teuerung auf Island láBt itnmer mehr nach. Die Zuschláge zu den
Beamtengeháltern, die schon einmal um 43% reduziert worden waren, sollen
vom 1. Januar ab noch weiter (um 25%) herabgemindert werden, so daB
sie dann noch 65% betragen. Auch die Fahrkosten und Verpflegungsspesen
auf den Dampfern zwischen Island und Dánemark sind herabgesetzt worden.
2. Die islándische Regierung láBt in Kopenhagen ein neues Schiff fiir den
Kiistenverkehr bauen.
3. Das Museum (Þj óðminjasafn) erhielt eine wertvolle Gabe durch die Sthen-
kung des Stuhles aus Walfischknochen, den der Schnitzer Stefán Eiríksson
1911 herstellte und ausschnitt. Der Kiinstler hat ihn an seinem 60. Geburts-
tag zum Dank fiir die ihm bei diesem AnlaB zuteil gewordene Anerkennung
selbst geschenkt.
4. Islándische Scheidemiinzen sind in Kopenhagen geprágt worden und wer-
den nun in Umlauf gesetzt.
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