Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1931, Blaðsíða 2
Islands und gleichzeitig der islándische Staat seine Tausendjahrfeier feier-
lich beging. Allerdings konnte der kleine islándische Staat auf ein solches
Fest stolz sein. Das Alding Islands gilt als eine der áltesten gesetzgebenden
Versammlungen in der Welt. L,ord Newton, der Vertreter des Hauses der Dords
vom britischen Parlament bei der Aldingsfeier, erklárte in seiner Rede in
Þingvellir, er habe wie alle Englánder lange geglaubt, daB England das
„Mutterland aller Parlamente der Welt“ sei, jetzt aber wisse er, daB noch
lange in England Könige allein regierten, als auf Island schon eine gesetz-
gebende Versammlung geschaffen wurde; daher könne das islándische
Alding mit Recht „Mutter aller Parlamente der Welt" genannt werden. —
Doch war es nicht dieser Gedanke, der in erster Einie die Islánder selbst
bewog, diesen Tag festlich zu begehen vor den Augen aller Welt. Nach
ihrem Empfinden lag die GröBe des Tages vielmehr in der Bedeutung, die
das Alding zu allen Zeiten fiir die Kultur und die Geschichte Islands gehabt
hat. Es ist keine Úbertreibung, wenn man behauptet, die Geschichte des
Aldings sei zu allen Zeiten der rote Faden in der Geschichte des Randes
gewesen, und es ist iiberhaupt zweifelhaft, ob es jemals eine staatliche Ein-
richtung gegeben hat, die mit ihrem Volke inniger verbunden war. In
gliicklichen Zeiten spiegelte sein Glanz und seine Geltung Mut und Kraft
des islándischen Volkes und in den Tagen des Ungliicks fárbte die Knech-
tung und Ohnmacht des Volkes auf das Alding ab.
So ist es denn durchaus natiirlich, wenn man dieses Jahr 1930 als eine
der groBen Jahrzahlen in der Geschichte des Dandes empfindet, und selbst-
verstándlich, dafi Island sein Möglichstes tut, um die Festfeier, die man
plante, wiirdig zu gestalten und zu einem Ereignis werden zu lassen, das
haften sollte im Gedáchtnis des Volkes. Politische Eintracht ist niemals
die starke Seite der Islánder gewesen, aber die Aldingsfeier erwies sich als
ein neutraler Boden, auf dem die entgegengesetztesten Parteien sich in
Briiderlichkeit begegneten. Einig waren auch von Anfang an alle iiber
den Platz, wo die Feier abgehalten werden sollte. Þingvellir zeigt keine
áufieren Spuren der Erinnerung, die der Heiligkeit des Platzes, wie sie der
Islánder empfindet, entspráchen; es war nicht ohne Schwierigkeiten durch-
zufiihren, eine groBe Menge von Menschen an unbewohnter Stelle in wiister
Umgegend weit ab von der Hauptstadt des Eandes zu versammeln; aber
es konnte auch nicht der geringste Zweifel aufkommen, daí3 dort und sonst
nirgends die Erinnerungsfeier der Islánder gehalten werden mufite.
Ebenso war es von Anfang an selbstverstándlich, dai3 diese Feier groBe
Vorbereitungen erforderte; zu diesem Zweck war ein AusscliuB unter einem
stándigen Eeiter zwei Jahre lang bescháftigt. Man mui3te Vorkehrungen
treffen, dai3 die Beförderung der Ueute nach dem Festplatz und zuriick
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