Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1931, Blaðsíða 8
Bett. Gegen 3 Ilhr senkt sich ein leichter weifier Nebel iiber 'Armannsfell,
doch nur ganz kurze Zeit; denn jetzt ist die Sonne nördlich iiber Skjalðbreiö
aufgegangen und miide hegt Þingvellir in márchenhaftem Glanz der Friih-
lingsnacht, der wármer und stárker ist als irgendein Tag. — Bald aber
liegt wieder das Schweigen der grofien Einsamkeit iiber Þingvellir. Am
Abend machen sich die ersten Scharen der Reisenden auf iiber die Berge,
hinauf in die Herrlichkeit der Wiiste. Tómas Gubmundsson
n. ISLANDS TAUSENDJAHRFEIER
Islands grofie Gedenkfeier des Jahres 1930, die Feier zum tausendjáhrigen
Bestehen des islándischen Staates, ist ihres Sinnes wiirdig begangen
worden.
Das Ausmafi und der áufiere Ablauf der Veranstaltungen iibertrafen alle
Erwartungen. Úber 30 000 Menschen kamen auf Þingvelhr zusammen.
Diese Menschenmengen auf máfiigen Wegen ein weites Stiick ins Eand
hinein zu befördern (die meisten kamen auf Automobilen von Reykjavík),
in Zelten unterzubringen, zu verpflegen, mit ihnen ein festes Programm
durchzufiihren — dies fertigzubringen, war eine ausgezeichnete Eeistung.
Sie wird jeder schátzen, der mit den Schwierigkeiten einer grofien Organi-
sation dieser Art auf Island vertraut ist. Aber auch die úandfremden, von
denen viele allerdings wieder mit allzu abenteuerlichen Vorstehungen nach
Island gekommen waren, hörte man hieriiber immer wieder ihre Verwunde-
rung áufiern. So auch die drei deutschen Abgeordneten. Sie fanden sich
sehr gut empfangen und aufgehoben; einer meinte, das ginge hier ja alles
wie am Schniirchen — wie in Preufien. Wer hátte das von den Islándern
gedacht ?! — Die Anwesenheit der Vertreter von 17 Staaten, des Königs-
paares und vieler anderer auslándischer Wiirden- und Titeltráger gab der
Veranstaltung das Gepráge einer internationalen diplomatischen und kul-
turellen Angelegenheit. Island schien fiir einige Tage mitten zwischen die
grofien Kontinente geriickt.
Was aber dem Islandfreund diese Feier zu einem ganz starken Erlebnis
werden hefi, das war nicht das Rasseln der langen Ketten von Kraftwagen,
das Brummen der Flugzeuge iiber dem grofien See, das Kurbeln der Film-
operateure und das Begriifien und Lobreden der vielen Vertreter des Aus-
landes — das war vielmehr die hohe Stimmung, die gute Haltung, der innere
Schwung, der Geist, das Islándische, das hier máchtig zum Ausdruck kam.
Man sah und spiirte: das ganze islándische Volk feierte diese geschichtliche
Stunde in einer echten inneren Verbundenheit mit seiner Geschichte. Dies
war nicht eine der vielen vom griinen Tisch her in Gang gesetzten histo-
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