Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1927, Side 7
,Das smd meine Kinder, die ich von mir sandte von Anbeginn,' sagt der
Herr, ,das ist die Frucht ihrer Segensuche durch ungezáhlte Jahrtausende.'
,Sie hatten keine besseren zu vergeben/ sagt die Nacht mit Tránen in
den Augen. Sie fiirchtet, daB dem Gott des Himmels und der Erde die Gaben
gering erscheinen.
,Ich weiB es,‘ sagt der Herr und sein Dacheln leuchtet voll endloser
Diebe. ,Sie streiften so lange auf unbekannten Pfaden, daB sie ihr Zuhause
vergessen haben.‘
haben es schon lange vergessen', sagt die Nacht niedergeschlagen.
Und der Herr blickt sie an mit unsagbarer Milde. ,Gehe du wieder auf
'iie Urde und breite deine Schwingen iiber meine Kinder. Du kennst sie
abe. Wahrenddem singen die Heerscharen des Himmels die Diebesgesánge
^er ersten Weihnacht in ihre Seelen, so daB sie Frieden finden.'
Und schweigend verneigt sich die Nacht vor dem Herrn und wendet sich
Zur Erde. Und sie breitet ihre Schwingen iiber alle, Junge und Alte, Kranke
Ulld Gesunde. Und die Saiten in ihren Seelen, die stumm waren von An-
^eginn, klingen eine Zeitlang in Harmonie mit dem Gesang der Engel und
íhre Seelen ruhen einen Augenblick im BewuBtsein ihrer Herkunft aus der
I5wigkeit.“--------
Zweifellos ist der Genius dieser Dichterin, der einfachen, ungeschulten
Uáuerin, unter die GroBen ihrer Nation zu rechnen1.
%“nnover-Linden Dr. Maria Dierking
III. BILDER VON DER ISLÁNDISCHEN SÚDKÚSTE
Von Dr. Max Ebeling
1Jn Sommer 1909 bereiste ich mit meiner Frau das islándische Siidland und
ínachte dabei zahlreiche photographische Aufnahmen. Von diesen sollen hier
emige deshalb veröffentlicht werden, weil die durch sie dargestellten Eand-
Schaften noch niemals im Bilde gezeigt worden sind. Eiegen doch hier, wie
hie erste Abbildung zeigt, die groBen majestátischen Schaustxicke Islands,
und lernt man doch erst beim Anblick der gewaltigen Eismassen des Vatna-
Jókull verstehen, warum die Insel Island, Eisland, genannt worden ist.
Zur Aufnahme benutzte ich Perutz-Filme im Forrnat 9 X 12 cm. Da sich
hiese wegen ihrer Kleinheit und auch aus anderen Griinden nicht einwand-
Uei zur Wiedergabe eigneten, so hat auf meine Bitte der Studienrat und
Bie Schriftstellerm, die ich inzwischen um einen GrundriB von Hof ,,Halde“ gebeten
7atte, um ihn bei der Herausgabe des Buches zu verwenden, teilt mir soeben mit, daB
lUr vom islandischen Althing eine jáhrliche Rente von 1000 Kronen zugesprochen
Se*. damit sie sich dem Schriftstellerinnenberuf mehr widmen kann. tlber den sehr inter-
essanten Brief und iiber die anderen Werke Kristin Sigfúsdóttirs werde ich in einem
Uer náchsten Hefte dieser Zeitschrift berichten. M. D.
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