Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1927, Page 24
sein Leben lang gebraucht hat, hat diese edle, primitive Naturbegabung
ertötet. Völlig irrlaufend und Flyga am Schwanzriemen haltend, torkelt er
dahin. . . .
Da verschmolzen sie zu eins, Mann, Pferd, Hund . . . eins — und von
eintm Wert — der groBen Alhnacht gegeniiber, die sich in dieser Stunde
durch Sturm und Schnee um sie her offenbart.
Dahintreibend, sich an das Pferd, wie ein Schiffbriichiger in Seenot an
einen Mast klammemd, gleiten sie von Schnee umhiillt in riihrender, simpler
Eintracht iiber die lieulenden öden. Oder Blinde, von einem Dritten gefiihrt,
dessen seitlich gestellte Augen vor dem Wetter geschiitzt sind, tasten und
wiihlen sie sich vorwiirts. Der Sturm umtost sie, grollt mit Götterstimme
wie im Garten Eden — es durchschauert den Menschen wie auch seinen ge-
fesselten, vierbeinigen kleinen Sklaven.
Es ist so kalt, daB ein Geruch wie von Feuer in die Nase steigt. Aber
das Pferd steckt unablassig das Maul in den Schnee. Bedarf es der Kiihlung
oder wittert es sich nur vorwárts — jedenfalls tastet es sich mit dem Hufe
weiter, wie um den Pfad zu suchen und sich auf diesem zu halten. Schwer,
ausdauemd arbeitet es, schluckt ein paar Mundvoll Schnee, wie um sich
zwischendurch zu laben. Keine Fata Morgana gaukelt vor seinen Augen —
und oftmals geht es wie ein Schlafwandler uber einen Dachrúcken, ohne
zu ahnen, woher die Hufe etwas voxn Wege wissen . . . gehen unbewuBt,
von einem inneren Drang gefúhrt, von etwas hochgehalten, das ilun allein
eigen ist, gleichsam von Kráften beeinfluBt, Kráften, die stárker und immer
stárker werden, je weiter sie gelangen.
Jetzt sind wir an den Elötenklippen! jetzt am Regenpfeifermoor . . .
das ist so selbstverstándlich! Eúr das Pferd tauchen noch im Sturme die
vielen Einzelheiten des Weges, wie sehr sie sich auch vermummt haben,
wohlbekannt auf. Niemals hat es seine Gedankeu an etwas anderes ver-
schwendet als an den Weg, den es zu gehen hat, und an die Aufgabe,
wieder heimzufinden. Und was es einmal in sein Hirn gehámmert hat, das
sitzt fest.
Es dauerte einige Stunden, aber Elyga fand den Hof.
Die Schwingungen, die alles Eebendige irn Hofe, dieMenschen, die Schafe,
das Vieh unwillkúrlich entsandten, war nur das Pjerd mittels seiner
empfindsamen Sinne imstande aufzufangen. Sein Ortssinn, seine hochent-
wickelte Treue, nicht in einem hundeartigen Dienstverháltnis zum Menschen,
sondem die Treue zur Heimaterde, die ihrer aller Eigen war, rettete sie.
Aber lange ehe man Jungins groBen Scheuerklotz erreicht hatte, war sie
ihrer Sache durchaus sicher gewesen; der unfehlbare Rauchgemch, der allem
anhaftete, der den Menschen begleitete, hing trotz der fegenden Schnee-
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