Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1916, Síða 9
hagen, wo man im Herbste 1828 eintraf. Es wixrde hier zu Weít und auch
von meinem Gegenstande zu sehr abfiihren, wollte ich diese ganze
Reise mit ihren lángeren Unterbrechungen in verschiedenen Stádten, wo
Thorlacius Beziehungen hatte, ausfúhrlicher besprechen. Ich möchte im Be-
sonderen nur des Aufenthaltes der Reisenden in Halle a. S., Wien und Rom,
und zwar auch nur insoweit gedenken, als Christiane dabei in Betracht
kommt.
In Halle hatte Christiane gleich ihr wichtigstes, ja fur ihr Leben entschei-
dendes Reiseerlebnis Sie lernte hier bei einer Gesellschaft, die der Rektor
der dortigen Universitát, Hofrat Schiitz, Thorlacius zuEhren veranstaltete,
dessen Neffen Karl Wilhelm Schútz, damals noch Universitátsstudent,
kennen. Obgleich sich die beiden nur mittels einiger französischer Brocken
miteinander unterhalten konnten, verliebte sich der junge Mann doch grúnd-
lich in die schöne Islánderin, und auch diese fand an ihm Gefallen. Er bekam
die Erlaubnis, in einen Briefwechsel mit ihr zu treten und maclite davon
auch ausgiebigsten Gebrauch.
In Wien weilte die Reisegesellschaft, wie ich aus der amtl. W. Zei-
tung feststellen konnte, vom 20. Juli bis 13. August und wohnte in dem
heute noch bestehenden „HotelErzherzog Karl“, einem uralten Gasthofund
Wirtshause. Sie lernte hier u. a. Grillparzers Neffen Joseph v. Sonnleitlmer,
den dort sehr bekannten Grúnder der Gesellschaft der Musikfreunde und des
Konservatoriums in Wien, kennen, der mit einer Dánin verheiratet war, und
dessenHausdaher gernvonDánen (z.B.auchH. Chr. Andersen) besuchtwurde.
Sie sollte aber auch mit Grillparzer selbst Bekanntschaft machen. Sonn-
leithner sandte námlich dem Onkel ein (vom 26. Juli 1826 datiertes) Billet,
auf dem es u. a. hieB: ,,Ich lade Dich nun ftir kúnftigen Donnerstag, an
welchem Tage der dánisclie Professor der klassischen Literatur und Alter-
tumskunde, der sehr gelehrte Islánder Thorlacius, bej' mir speist. Du wirst
auch eine nette junge Islánderin finden"1. Ob die Gesellschaft den Dichter
auch wirklich kennen gelernt hat? Alle meine Nachforschungen blieben
ergebnislos; es war keine Aufzeichnung hierúber zu ersptiren. Prof. Thor-
lacius, der es ja gewohnt war, auf seiner Reise von den berúhmtesten Ge-
lehrten und Dichtern umschmeichelt zu werden, schrieb noch am 13. August
von Wien aus Karl W. Schútz úber seinen Aufenthalt in der Kaiserstadt nur,
er habe liier wie úberall liebenswúrdige und gelehrte Mánner gefunden, die
seine Kenntnisse bereicherten und seinem Herzen teuer seien2. Und Christiane
1 Vgl. Grillparzers Werke, lierausgegeb. vom Prof. Aug. Sauer, III. Abt., i. Bd., S. 334,
No. 285. Vom Herausgeber befragt, wer wohl diese „nette junge Islánderin" gewesen
sein möge, konnte ich sogleich einwandfrei feststellen, daB dies Frl. Christiane Briem
'var; vgl. meine Mitteilung ebenda S. 437. 2 Briefl. Mitteilung von Prof. Dr. Ha-
rald Schiitz.
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