Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1916, Síða 11
blieb auf der StraBe ein Weib aus dem Volke erstaunt vor ihr stehen und
rief aus: Ma, che bella ragazza! —“ Man sagte in Rom auch, „ihr schönes,
Gesicht habe im Winter 1826/1827 ubcr die ewige Stadt gestrahlt", und
Kiinstler aus dem Thorvaldsenschen Kreise, die sie damals in Rom gesehen
hatten, schwármten noch in ihren alten Tagen von „der schönen Islánderin
in Rom"1. In Rom lernte sie auch Mezzofanti kennen, der seinen Platz
immer an der Seite der Auslánderinnen erhielt. Mit Christiane konnte er
jedoch nicht in ihrer Muttersprache sprechen; er verstand nicht Islándisch
und war dariiber nicht wenig betroffen, konnte sich aber mit der schönen
Islánderin in dánischer Sprache unterhalten2.
Die Reisegesellschaft kam, wie schon erwáhnt, im Herbste 1828 nach
Kopenhagen zuriick. Auf derHeimreise warsienochmalsmitKarlW. Schiitz
zusammengetroffen. Christiane scheint auch selbst eine tiefere Neigung
zu ihm gefaBt zu haben; denn sie hatte mehrere glánzende Heiratsantráge, die
ihr auf der Reise geinacht wurden, mit dem Bemerken zuriickgewiesen, sie
habe schon einem jungen Deutschen Hoffnungen gemacht. Schiitz hatte
ihr die schwármerischesten Briefe geschrieben und inzwischen ihr zuliebe
Dánisch, vielleicht auch etwas Islándisch, Christiane aberDeutsch und zwar
ohne Lehrer, nur durch Biicher gelernt. Sie konnten einander nun leichter
miindlich verstándigen, und das Wiedersehen hatte zur Folge, daB sie sich
— „bei einem starken Gewitter" — Verlobten. Die weitere Folge war, daB
Schiitz, nun schon angehender Mittelschullehrer, eingeladen wurde, auf
einige Zeit nach Kopenhagen zu kommen, um seine fast allzu átherisch An-
gebetete doch etwas náher persönlich kennen zu lernen. Er tat dies unter
dem Vorwande, nordische Sprachstudien betreiben und bei Rask Sanskrit
hören zu wollen. Thorlacius schátzte den jungen Gelehrten, der auch ein
Meister des Klavierspieles war, bald iiberaus hoch. Dieser kam dort auch
in Verkehr mit anderen bedeutenden und beriihmten Mánnern, wie z. B.
mit Oehlenschláger, dem er táglich bei der Herausgabe seiner Werke in
deutscher Sprache Hilfe leistete. (Nebenbei beni'erkt, áuBerte Schiitz sich
spáter, Oehlenschláger sei sehr „záhe" gewesen und hátte nur ungern ein
Wort geándert, wenn es galt, einen besseren deutschen Ausdruck zuwáhlen.)
Bald wurde die Verlobung bekannt gemacht, und die Hochzeit sollte im
Friihjahr 1830 stattfinden.
Im Mai 1829 kehrte Schiitz nach Deutschland zuriick, da er in Bremen
eine Anstellung als Lehrer erhalten hatte, die es ilim ermöglichte, sich
einen eigenen Hausstand zu griinden. Anfangs Oktober starb jedoch
Professor Thorlacius, und dieser Todesfall sowie andere Umstánde be-
1 Benedikte Arnesen-Kall, Johanna Christiane Schiitz födt Briem. Islænderinde. (Ko-
penhagen 1886). S. 6 und 12. 2 Briefliche Mitteilung von Emma Schutz.
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