Mitteilungen der Islandfreunde - 01.07.1916, Side 21
tungen und Messungen bei den verschiedenen Arbeiten ist festgestellt, daB
bei entsprechender Ausfiihrung die Arbeit viel weniger ermudet, also mit
gleichem Aufwand an Kraft viel mehr geleistet werden kann und daB da-
durch die Arbeits- und Lebensfreudigkeit der Einzeinen sich liebt. Uber
diese amerikanischen Bestrebungen und die zu solchen Zwecken getroffenen
Einrichtungen hat dr. Gnbmundur Finnbogason die Islander in ein paar
Vortrágen unterrichtet und diese in seinem Biichlein Vit og strit (Wissen-
schaft undArbeit) abdrucken lassen. Derselbe beantragte auch die Errich-
tung eines Lehrstuhls fiir diese Wissenschaft an der Universitát Reykjav'ík;
er hofft, daB diese neue Wissenschaft der bevorstehenden Pflichtarbeit zu-
nutze kommen soll. Die Vorlage iiber die Professur wurde zwar im letzten
Althing abgelehirt, dafiir aber beschlossen, dr. Gubmundur Finnbogason
3000 Kr. zu bewilligen, damit er sich in diésen Fragen noch weiter unterrich-
ten könne. So ist zwar fiir Island der Zeitpunkt noch nicht gekommen, diesen
Teil der psychologischen Forschung in die Praxis umzusetzen, aber man
kann annehmen, daB spáterhin die Anleitung in der „Pfliclitarbeit" auf die
Ergebnisse der praktischen Psychologie aufgebaut werden wird.
7. Ist eine gesetzliche Festlegung der Pflichtarbeit am Platze ?
Von verschiedenen Seiten ist der Plan der „Pflichtarbeit" abgelehnt
worden mit dem Hinweis, daB es sich hier um moderne Sklaverei handle,
die nur durch ihre zeitliche Begrenzung sich davon unterscheide. Es blieb
H. J. wirklich nichts anderes xibrig, als solcher Verkennung der Tatsachen
gegeniiber darauf hinzuweisen, daB die Pflichten, die der Staat seinen Bur-
gern auferlegt, keine Schmálerung ihrer persönlichen Wurde bedeuten. Das
muB man also den Islándern erst sagen. Wenn man die anderen Pflichten,
die Staat und Gemeinde verlangen, vergleicht, kann die Pflichtarbeit, die
das Volk der Islánder sich selbst auferlegen soll, mögen diese auch noch so
sehr von „königlichen Ahnen stammen", nicht als ein Ubergriff der Staats-
gewalt betrachtet werden.
Auch der Einwand, es solle lieber freiwillige Arbeit vorgeschlagen werden
statt gesetzlich gebotener, muBte allen Ernstes widerlegt werden; es gibt
fúr uns nichts Selbstverstándliclieres, als daB eine solche Neuerung, wenn
etwas dabei herauskommen soil, gesetzlich festgelegt und geregelt werden
muB. Aber weil man solche Selbstverstándlichkeiten dort erst noch begrún-
den muB, scheint eine Einrichtung wie die geplante erst recht wúnschenswert.
Ganz mit Recht ist daher dem Volke jetzt die Frage vorgelegt, ob es eine
gesetzliche Einfúhrung der Pflichtarbeit haben will. So weit kann auch das
Volk in seiner Gesamtheit nur entscheiden: „gesetzlich" und „in irgend-
einer Form". Die Anfrage ans Volk kann sich nur auf die grundsátzliche Seite
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