Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Blaðsíða 23
wir gegen 13 Uhr am Depot an, das sich durch 3 dunkle Punkte gut von der
weiBen Umgebung abhob. Yon der Warte war der Eismantel abgeschmolzen, aber
das Steintiirmchen stand noch. Der Sack lag verknúllt auf dem Firn. Der Blech-
koffer war so weit herausgeschmolzen, daB der Deckel mit der Oberfláche des
Gelándes gleich war. Der Inhalt war unversehrt.
Wir hatten unterwegs beschlossen, fiár die 2.EahrtnocheinenIslándermitzu-
nehmen und zu versuchen, auf irgendeine Weise aus Reykjavík einen neuen Kilo-
meterzáhler zu bekommen. Obwohl wir bereits 15 Stunden tátig waren, und einen
llstiindigen Marsch hinter uns hatten, entschlossen wir uns, noch am gleichen
Tage den Abstieg auszufiihren. Nur das Zelt wollten wir mitnehmen. Wáhrend wir
uns ein kráftiges Essen kochten und die zurúckbleibenden Sachen in Ordnung
brachten, jagten Nebelwolken von Nordenherauf den Svínafellsjökull zu, wosie
aber durch die dort lagernden Warmluftmassen — etwa in unserer Breite — noch
auf gelöst wurden. Wir verf olgten die sich dort deutlich abzeichnende und nur lang-
sam nach Stiden vorschiebende Eront mit dem Interesse selbst unbeteiligter Zu-
schauer und glaubten, uns noch eine Stunde Ruhe im Zelte vor dem Abstieg gön-
nen zu können. Wir lagen jedoch kaum, als wir mitten von den Wolken umgeben
waren. Auch zum Hornafjord war nichts mehr zusehen. Nurhinundwieder tauch-
ten fúr Augenblicke noch die Umrisse des Vidbordsfjall aus den jagenden Wolken-
massenheraus. Plötzlich stúrmte es auch um uns. Schnee und Regen setzte ein.
Jetzt wurde es höchste Zeit, den Abstieg anzutreten, wenn wir noch von hier
oben wegkommen wollten, ehe das heranrtickende Unwetter seine ganze Kraft
entfaltete. In der Tiefe muBte das Wetter nochbesser sein. Wir krochen aus dem
Zelt heraus, rollten die Schlafsácke auf und zwángten sie in den Ölsack. Das Un-
wetter nahm mit groBer Schnelligkeit zu. Um den Nunatak heulte und toste es.
Von dort her kam es stoflweise und in Wirbeln. Bald traf es auf die eine Seite
des Zeltes, bald auf die andere. Eeuchter Schnee, Regen, Eisregen. Der Regen
schlug durch die Zeltwand hindurch! Wie mit tausend Nadeln peitschte der Eis-
regen ins Gesicht. Jeden StoB muBten wir mit gekrúmmtem Rticken abfangen.
Wir schlugen das Zelt ab. Ich raffte es zusammen und kniete darauf, um es zu
halten, wáhrend mein Begleiter sich noch einmal zum zurúckbleibenden Gepáck
wandte. Im Nu war das Zelt von nassem Schnee bedeckt und beschwert. Zwischen
zwei SturmstöBen wollte ich die Schneelast herimterschtitteln und das Zelt zu-
sammenraffen, da riB ein neuer Wirbel mir es aus beiden Fáusten in die Ltifte
und jagte es den Hang zum Talgletscher hinunter. Etinf Schritte sttirzte ich nach.
Das Zelt war lángst im Grau verschwunden. Schritt ftir Schritt arbeitete ich mich
dem Sturm entgegen zum Schlitten zurtick.
Keil hatte von dem Geschehenen, daB sich nur wenige Meter entfernt ereignet
hatte, nichts gemerkt. Das Zelt war weg. Jetzt muBten wir herunter, um jeden
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