Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Blaðsíða 28
herunter zu kommen hofften, um so den Weg fiir das spátere Herabtragen unse-
rer Sachen verkiirzen zu können. Schon wáhrend des Rittes bekamen wir einige
gehörige Schauer ab. Der Aufstieg im Talzirkus wurde an einer kiirzeren, aber
dafiir noch schwierigeren Stelle als das erstemal durchgefiihrt, so daB ich erheb-
liche Miihe hatte, mit meinen dicken Skistiefeln iiber einige nasse, nackte Felsen
hinwegzukommen. Die Islánder waren da mit ihren diinnen, sich zum Klettern
eignenden Fellschuhen weit besser daran. Zu tragen gab es diesmal gliicklicher-
weise nichts Nennenswertes fiir mich. Wir hatten wenig Gepáck, keine Lebens-
mittel aufier etwas Wegzehrung. Neben den persönlichen Kleidungsstiicken eines
jeden waren nur ein Paar Ski, ein leichter Schlafsack und das allerdings wohl
40 Pfund schwere Zelt zu tragen. Dies Zelt, das wir uns nach dem Verlust des
guten wohlbewáhrten in Ermangelung eines anderen von islándischen Wege-
arbeitern hatten leihen können, war von vornherein mein Sorgenkind. Es war
ein drei Meter langes Sechsmann-Hauszelt ohne jeden Boden. Da es dementspre-
chend sehr hoch war, wollten wir es nicht in seiner ganzen Höhe aufschlagen.
Wir gingen sehr rasch, stellenweise durch aufsteigenden Nebel. Der Thymian
bluhte. Um 21 Uhr erreichten wir unsere erste Warte. Schwere Regenwolken
zogen aus Norden. AIs wir höher kamen, blies uns ein sturmartiger Nordwind
entgegen. Es regnete. Wolken- und Nebelfetzen jagten an uns voriiber. Es dám-
merte sehr, die Lichtverháltnisse waren schon wesentlich ungiinstiger als im
Juni. Feuchte, groBe Moospolster reichten höher hinauf als das erstemal. Viel
Schnee war abgeschmolzen, selbst oberhalb der Firngrenze. Das erste Stiick war
ganz verándert: schmutziges, schwarzes, löcheriges Eis. Ich hegte schon Befiirch-
tungen fiir unser Depot. Dann wurde der Firn wieder weiB. Um 24 Uhr erreichten
wir das Depot. Es sah böse aus. Der Schlitten war mit seiner ganzen Ladung
vollstándig umgedreht. Die Kisten lagen unten und die Kufen nach oben. Der
Blechkoffer stand mit weit aufgeklapptem Deckel oben auf dem Firn. Da es uns
im Schneesturm nicht mehr möglich gewesen war, den Deckel durch den kleinen
Holzkeil zu verschlieBen, hatten wir zur Sicherung 2 groBe Zeltheringe zwischen
Eis und Kiste geschlagen. Die Abschmelzung muBte hier also innerhalb der letz-
ten Tage ungefáhr 50—60 cm betragen haben. Zeltpflöcke lagen zerstreut umher,
meine Reithose einige Schritte neben dem Koffer auf dem Eise angefroren.
Aber sonst schien noch nichts heraus zu sein. Die Prúfung ergab, daB fast das
ganze Hartbrot durchnáBt war, ebenso waren Haferflocken, Kakao, Zucker
u. a. Lebensmittel feucht. Das Zuckersáckchen hatte unglúcklicherweise auf
dem Hartbrot gelegen und einen Teil desselben gesuBt. Wir waren also ge-
rade zur rechten Zeit gekommen. Inzwischen hatten die Islánder das Zelt
aufgeschlagen. Da wir alle ganz nasse und eiskalte FúBe hatten, holte ich aus
einem Fellhandschuh eine bisher verborgen gehaltene Flasche und reichte je-
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