Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Blaðsíða 50

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allerdings auch bei dieser Behauptung in Rechnung stellen: Wir kennen ein volles, run- des Bild des Germanentums nur aus der „Emi- grantenliteratur" der isl. Saga. Die königh- chen Bauem dieser Insel fanden sich zusam- men in der Ablehnung des norwegischen Ein- heitsstaats und in der Wahrung ihrer eigenen Persönhchkeit und Sippe. Auf ihrer Insel brauchten sie kein gemeinsames Verteidi- gungssystem, eine islándische „Hird“ gibt es nicht. Besser als irgendwo sonst konnte sich hier die freie Persönlichkeit in ihrem kleinen Verbande entfalten, ohne ein gröCeres Ganzes in Frage zu stehen. In der Darstehung dessen, was Kummer den „Verfah" der germanischen Sitthchkeit nennt, macht es sich der Verf. zu einfach. Sol- che Dinge kann man nicht nur einem christ- hchen Missionar und einem heidnischen Gott in die Sehuhe schieben. Wandlungen der Sitt- hchkeit sind zugleich soziologische Wandlun- gen, und soziologische Schichtungen sind sehr oft Schichtungen der Rasse. Das sieht der, welcher vor BUdem von Ostade steht oder der durch ein enghsches Arbeiterviertel wan- dert. Es war ein besonderer Rassetypus, der von Thor zu Odin abfiel: nicht Gunnar von Hhdarendi, sondem EgU der Dichter. Die Spannung von zwei Rassen in einem Körper sehuf die irmere und áuCere Unruhe, das Fra- gen an das Sehicksal und das unstete Wan- dem; sie schuf letzlich auch die „zwei Seelen in einer Brust“. Soziologische Verschiebun- gen, die zugleich Verschiebung des Menschen- typs sind, begriinden auch jene erschuttern- den Umbriiche im Schicksal unserer eigenen Kultur: Vom HUdebrandhed zum Lied vom heihgen Georg, oder vom Parzival zu den Fastnachtspielen vom „iibel wip“. Gegen- iiber solchen elementaren Ereignissen ver- scliwindet die Bedeutung von Predigem und Missionaren, denn ídeen bediirfen vor allem der Menschen, die auf sie eingestimmt sind, um wirken zu können. Solche Umbriiche, die wir als unser Schicksal auf uns zu nehmen haben, sind aber zugleich auch die ewigenRe- generationsquehen unsres Volkes. Was bei Otfrid und Hans Sachs noch klapperte, klingt bei Waltherund Goethe. Wertungen,dienach dem Sundenbock suchen, sind demgegeniiber nicht am Platze. Das gleiche gUt im Streit von Thor gegen Odin. Rassisch gesehen, könnte Thor das un- vermischte bauerhche Germanentum verkör- pern. Doch Odin, die fmchtbare und gefáhr- liche Spannung in einer Persönhchkeit, ist uns zum Schicksal geworden und hat uns zu Grö- Be gefuhrt. Wer ftir „Midgard" geboren ist, bleibe dort; denn wenn er sich herauswagt, wird er nicht zu einem „Faust“, sondem zu einern „Peer Gynt“ werden. Der andere er- probe aber in immer neuen Wandlungen der Gestalt sein groBes Schicksal. Den Rassegmndsatz steht Oiinther in seinem Vortrage in den Mittelpunkt. Zugleich zieht er auch seine Kreise weiter: Nordische Fröm- migkeit findet er nicht nur bei den Germanen, sondem ebensosehr bei anderen indogerma- nischen Völkem mit nordischer Oberschicht, bei Griechen, Italikern, Persem, Indem. Er weiB genau, daB seine Schrift einen ersten VorstoB darsteUt, „mehr gefúhlsmáBig schU- demd als wissenschafthch belegend und aus- einandersetzend". Sein Gefúhl muB dabei eine beschránkte Auswahl treffen aus der Uberlie- ferung, und der Leser muB bereit sein, auf die Begrúndung zu verzichten, warum vieles, daB fúr den Norden belegt ist, als artfremd aus- geschieden wird (Balder, Odin, Orakel). Gúnthers Erkenntnisse seien hier in weni- gen Stichwörtern wiedergegeben: Das Ver- háltnis von Gott und Mensch ist nicht das von Herr und Knecht, es ist kein Furcht-, sondem ein Vertrauensverháltnis. Der Mensch fúhlt sich nicht als Geschöpf des Gottes, vielmehr sind beide beigeordneto Glieder der Weltord- nung. Schicksal ist ein Ordnungsprinzip der Welt, zu dem der Edle, der Reife und GröBe hat, sich bereit hált. Einen wertenden Zwie- spalt zwischen Leib und Seele, dieser und je- ner Welt gibt es nicht. Deshalb verlangt der nordische Mensch nicht nach dem Erlöser, dem Mittler, dem Gottgesandten. SeineFröm- migkeit ist verhalten, vornehm, duldsam. Ihr Ziel ist der Mensch in seiner Ganzheit, der sich dem Gott gegentiber nicht verUert, son- dem bewahrt. Es liegt mir nichts daran, diesen meist ge- ftihlsmáBigen Behauptungen Gegenargumen- te aus der ÚberHeferung gegentiberzusteUen, schon weU mein Gefúhl sichbeinahe úberall zu- 112
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