Tímarit Verkfræðingafélags Íslands - 01.04.1918, Qupperneq 6
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Tí MARIT V. F. í. 19 18
ergeben und diese finden am Besten Verwendung
zur:
5.) Schafjung einer leistungsfáhigen chemischen Gross-
industrie. Diese von Staate selbst zu betreiben, das
wurde bisher noch in keinem der in Betracht kom-
menden Lánder in ernstliche Erwágung gezogen.
Sogar in Deutschland, wo der Krieg die Anlage von
Riesenfabriken zur Erzeugung von kiinstlichem Sal-
peter fiir den Staatsbedarf notwendig machte, hat
man diese Aufgabe lieber der Privatindustrie iiber-
lassen, ihr aber von Staatswegen die enormen Geld-
mittel, mehrere 100 Mill. Mark zur Verfiigung gestellt
und auf Jahre hinaus festen Absatz fur die Produktion
garantiert.
Es ist eben eine alte Erfahrung, dass der staat-
liche Betrieb einer spekulativen Unternehmung zu
schwerfállig und durchaus nicht konkurrenzfáhig ist.
Erhebliche Geldmittel fiir Verbesserung des Betriebs
und Neuanlagen, grosse Gehálter, wie sie von wirk-
lich fáhigen Betriebsleitern gefordert werden, bewilligt
die Staatskasse nur ungerne oder gar nicht. Die
Besetzung dieser Stellungen und die Höhe der Ver-
kaufspreise wúrde nach den Interessen der jeweils
fuhrenden politischen Partei entschieden, was nicht
gerade zum Gedeihen solcher Werke beitrágt. Gegen
den staatlichen Betrieb wird auch angefúhrt, dass
der Staat das grosse Risiko, das durch áussere Kon-
kurrenz oder Spekulation entsteht nicht auf seine
Schultern nehmen sollte. So kann z. B. die Auffind-
ung weiterer Lager von natúrlichem Salpeter oder
eines neuen patentierten Verfahrens alle bisher beste-
henden Anlagen zur Erzeugung von Luftsalpeter iiber
Nacht in altes Eisen verwandeln! Ein Privatbetrieb
mit seinen bedeutenden Reserven und gestútzt von
Kapitalisten, die sogleich zu weiteren Geldopfern
bereit sind, ist viel elastischer und kann sich der
veránderten Sachlage anpassen.
Wird die Errichtung grossindustrieller Anlagen
der Privatindustrie úberlassen, so erhált der Staat
zwar nicht den Unternehmergewinn, er zieht aber
indirekten Nutzen in reichem Maasse davon. Erhöhte
Einnahmen aus Steuern und Zöllen fliessen ihm zu,
der Bau und Betrieb der Werke mit einem zahl-
reichen Stabe wohlbezahlter Beamter, bringt Geld in
frúher arme Landstriche oder erschliesst unbewohnte
Gegenden. Etwas ungiinstiger stellt sich die Sache,
wenn auslándisches Kapital stark beteiligt ist, doch
dúrfte auch dann noch fiir beide Teile ein Nutzen
entstehen, wáhrend das Risiko allein dem Kapitale
zufállt.
Nach dem Vorstehenden erfordert also eine grosszú-
gige Wasserkraftwirtschaft des Staates, dass sich der-
selbe die zur Elektrizitátsversorgung nötigen Kraft-
quellen reserviert, wáhrend der Rest dem privaten
Unternehmungsgeiste iiberlassen wird. Blicken wir
nun auf die tatsáchlichen Verháltnisse in den in
Betracht kommenden Lándern, so sehen \vir iiberall
einen heftigen Streit der Interessen toben. Die
technisch-industriellen Kreise wollen dieses wertvolle
Geschenk der Natur sogleich in den Dienst der
Menschheit gestellt sehen, die fúhrenden politischen
Kreise dagegen möglichst viele Wasserkráfte fúr den
Staat reserviert wissen, ohne bei dem Mangel an
einem Arbeitsplan und an Kapital vorláufig an den
Ausbau derselben zu denken. In der Sorge um die
Zukunft vergisst man die Gegenwart, und es geschieht
gar nichts. Zu welch’ nachteiligen Folgen dies fúr
den Staat fiihren kann, sehen wir, w'enn wir jetzt
auf die Betrachtung der Verháltnisse in einzelnen
Staaten úbergehen und mit meinem Heimatlande
Bayern beginnen.
Hier besitzt der Staat die grösste und am billigsten
auszubauende Wasserkraft am Walchensee in den
Bayr. Alpen, aus der sich bis zu 90,000 PS gewinnen
lassen. Schon vor fast zwei Jahrzehnten tauchte das
Projekt auf, sie zum elektrischen Betriebe der Staats-
bahnen zu verwenden, doch wurde dieses infolge der
Bedenken der Militárbehörden zuriickgestellt. Man
furchtet námlich, dass der elektrische Betrieb im
Mobilisierungsfalle durch Abschneiden der Kabel vom
Feinde lahm gelegt und die Mobilisation gestört
werden könne. Diese Befúrchtung ist bei der jelzigen
Entwicklung des Flugwesens berechtigter als je zuvor.
Spáter bewarb sich die Grossindustrie um diese Kraft,
aber der Staat wollte sie nicht aus der Hand geben.
Schliesslich wollte sie der Staat selbst ausbauen, um
sie fúr die Elektrizitátsversorgung des Landes zu
verw'erten, und viele Projekte wurden ausgearbeitet.
Unter den endlosen Debatten brach der Weltluieg
aus, und nun bedauert man es sehr, bei dem jetzt
herrschenden Mangel an Kohlen und Arbeitskráften,
diese billige Naturkraft nicht im Dienste des Landes
zur Verfiigung zu haben. In alle Kreise des Volkes
drang jetzt die Erkenntnis, von welch unendlicher
Wichtigkeit es sei, den Ausbau der Wasserkráfte zu
beschleunigen. Durch die Regierung wurde ein Projekt
ausgearbeitet, das alle Aussicht hat, sogleich nach
Abschluss des Krieges zur Ausfiihrung zu gelangen.
Darnach wird die Elektrizitátsversorgung von ganz
Bayern durch Zusammenarbeit von Staat, Gemeinden
und privatem Kapital geregelt werden.
Das Riickgrat dieses eigenartigen Systems ist ein
Starkstromnetz fúr 100,000 Volt, verbunden mit
Niederspannungstransforraatoren, das sich iiber das
ganze Bayern rechts des Rheines erstrecken soll.
Dieses w'ird von einer besonderen Gesellschaft »Bayern-
Werk« errichtet und betrieben, die die Form einer
gemischtwirtschaftlichen Unternehmung hat, d. h.
das Kapital wird gemeinsam von Staat, Kommunen
und Privaten aufgebracht. Diese Gesellschaft tritt