Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1917, Qupperneq 26
Wasserstrahlen aufs Deck spritzten. AIs díe Boote niedergelassen und die Mannschaíten
hinabgestiegen waren, kam ein dritter SchuB so nahe an das hintere Ende des Schiffes,
<IaB GeschoBspIitter auf das Deck flogen.
Die Boote segelten nun so schnell als möglich ab in der Richtung nach dem Untersee-
boot und keiner von uns wagte zu hoffen, daB er die „Rán" wieder sehen wiirde. Die
Boote fuhren nun so nahe an das Unterseeboot heran als es bei dem hohen Seegang
möglich war.
Der Kapitan erhielt die Weisung, an Bord des Unterseebootes zu kommen, und als
er dort angelangt ist, kommt ihm einer von den Offizieren des Unterseebootes entgegen.
Er fragte den Kapitan, wie das Schiff heiBe, wo es zu Hause sei, woher es komme, welche
Ladung es habe, wohin es fahre, wo und wann es gebaut sei und welcher Nationalitát
die Bemannung sei.
Nachdem der Kapitán diese Fragen beantwortet hat, sagt der Offizier, nachdem
das Schiff mit Nahrungsmitteln geladen sei, die nicht in Feindesland kommen durften,
bleibt nichts ubrig, als dasSchiff zu versenken, und der Mannschaft an Land zu ver-
helfen. Der Kapitán bittet den Offizier, das Schiff zu schonen und nicht zu versenken,
da es von einem neutralen Lande sei. Der Offizier antwortet ihm, daB das gleichgúltig
sei. Die Englánder hátten Einfuhrsperre úber Deutschland verhángt; daher versuchten
sie selbst mit ihren Unterseebooten Gleiches mit Gleichem zu vergelten und versenkten
jedes Schiff, dessen sie habhaft wúrden, das nach Feindesland Konterbande bringe.
Der Kapitán bittet den Offizier aufs neue, sein Schiff nicht zu versenken, und erklárt
sich bereit, umzukehren und mit seiner Ladung nach Island zurúckzufahren.
Der Offizier erklárte, er könne solchem Versprechen keinen Glauben schenken; denn
wenn die „Rán" aus seinem Gesichtskreis entschwunden sei, könne sie mit Leichtigkeit
wieder umkehren und nach England fahren.
Der Kapitán erklárte, er wolle sein Ehrenwort darauf geben, daB er geradenwegs
nach Island fahren werde. Der Offizier sagte, Ehrenworte seien in solchen Zeiten nichts
wert; jetzt gelte nur das Faustrecht.
Nachdem er das gesagt, ging er zu einem anderen Offizier, der sich dort befand und
sein Vorgesetzter zu sein schien; die beiden sprachen eine Zeitlang miteinander.
Dann kehrte der erstgenannte zum Kapitan zurúck und sagte ihm, sie wollten in
diesem Falle seinem Ehrenwort vertrauen und dem Schiffe gestatten, nach Island
zurúckzufahren, gegen die schriftliche Erklarung, keine Nahrungsmittel, weder Fisch
noch anderer Art, nach England oder zu deren Bundesgenossen mehr zu schaffen.
AIs das erledigt war, sagte der Offizier, wenn er auch in diesem Falle das Schiff frei-
gebe, sei das zugleich eine Warnung fúr andere islándische Fischerboote, die Fisclie
nach England fúhren; denn er wisse wohl, daB es mehr seien als dieses eine Schiff, die
das táten; auch könne er sich darauf verlassen, daB, wenn sie spáterhin eines von diesen
islándischen Fischerschiffen mit einer Ladung von Fischen antráfen, sie es unverzúg-
lich versenken wúrden. Die Unterseeboote hátten den Weg festgestellt, den die Fischer-
schiffe einschlúgen, und wúrden sorgfáltig Wache halten.
Dann verabschiedete der Offizier den Kapitán und band ihm einen Streifen um den
Arm und fúgte hinzu, das sei ein Ausweis darúber, daB ein deutsches Unterseeboot das
Schiff angetroffen habe. Auf dem Streifen stand: II. Unterseeboots-Halbflotille II.
Dann forderte der Offizier ihn auf, unverzúglich abzufahren, geraden Weges nach
Island.
Das IieB man sich nicht zweimal sagen; sie ruderten ciligst an Bord der „Rán",
zogen die Boote empor und fuhren ab; das Unterseeboot behielt die „Rán" im Auge,
bis es dunkel geworden war.
Nach der Abfahrt untersuchte man die Kohlenvorrate des Schiffes; diese ergaben
sich als sehr gering zu der Fahrt, die vor ihnen Iag; es blieb nichts anderes úbrig, als die
Kohlen möglichst zu sparen, dabei aber die schnellste Fahrt im Verhaltnis zum Kohlen-
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