Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1917, Qupperneq 30
Dann die Baukunst. Die Dome in Köln und StraBburg, Bauten in Niirnberg und
uberall in Deutschland und Dentschösterreich gehören zu den berúhmtesten Bauten
der Welt, Kirchen mit einer Menge von práchtigen Túrmen und kunstreich gemalten
Fenstern.
Auch die Malerei ist in Deutschland sehr bedeutend gewesen, z. B. Albrecht Dúrer
und Lukas Cranach zur Zeit Luthers. Jedoch stehen jetzt die Italiener und HoIIánder
höher.
Auch Bildhauerei ist dort an vielen Orten, z. B. in Núrnberg. Aber darin sind wieder
die Italiener und Thorwaldsen bedeutender.
Deutsche Tugenden
Dem schlieBen sich jetzt die deutschen Tugenden an. Die Deutschen úbertreffen die
allermeisten Völker an Arbeitsamkeit und Sparsamkeit, und vor allem auch in Pflicht-
treue. „Was mein Sohn lernt, ist mir gleichgúltig, wenn er nur lernt, seine Pflicht zu
tun“, sagte kúrzlich ein deutscher Vater. Die Deutschen verstehen besser als alle anderen
Völker zu gehorchen und als die höchste Pflicht des einzelnen es anzusehen, fúr das
Vaterland zu Ieben und zu sterben.
Natúrlich Iegen die Deutschen auch groBen Wert auf schulmaBiges Lernen. Dieses wissen
sie von allen Völkern am besten zu schátzen. Es gab eine Zeit, wosiein manchenprak-
tischen Kúnsten den Englándern und Amerikanern nachzustehen schienen, z. B. in
der Seefahrt, Handel, Industrie und Ackerbau. Aber jetzt sieht es anders aus. Sie
sind auf dem Wege, in diesen Dingen alle Völker zu úbertreffen, wenn diese sich nicht
sehr anstrengen.
Die Schule hat das Geistesleben der Deutschen bereichert, ihr Urteil geschárft und
WiIIen und Energie geweckt. Ihre Fortschritte auf praktischem Gebiet und ihre Túchtig-
keit im Heerwesen sind den Schulen und dem Studium zu verdanken.
Bildung macht frei, aber die politische Freiheit ist nicht ihr höchstes Ziel. Sie wollen
Iieber, daB der Staat alle schútzt vor Mangel im Alter, vor Krankheit, Unglúcksfállen
und Arbeitslosigkeit. Diese Aufgaben hat das Deutsche Reich auf sich genommen und
úbertrifft darin die meisten, wenn nicht alle Staaten.
Wir háben den Deutschen viel zu verdanken
Die Deutschen haben der neuen islándischen Literatur mehr Ehre erwiesen als irgendein
anderes Volk.
Sie haben viele unserer besten Erzahlungen und viele unserer besten Gedichte in
ihre Sprache úbersetzt.
Sie haben ganze Búcher úber einige unserer groBen Mánner geschrieben, wie úber
Jón Sigurðsson und Steingrím Thorsteinsson, einige unserer weniger hervorragenden
Schriftsteller besser und richtiger beurteilt als wir selbst. „Doppelt so viele oder noch
mehr Deutsche besitzen eine grúndliche Kenntnis unserer Sprache und Wissenschaft
als alle andern Auslándern zusammen", sagte unser Bischof im „Neuen Kirchenblatt“,
1914, S. 197.
Die Deutschen lehren andere groBe Völker unsere Literatur kennen und schátzen.
Wahrscheinlich ist es den Deutschen zu verdanken, wenn Völker, die zu uns gar keine
Beziehungen haben, wie die Neugriechen und Tschechen in Böhmen, einzelne unserer
Dichtungen in ihrer Sprache úbersetzt haben. Deren Sprachen sind der unsrigen wenig
áhnlich, aber doch áhnlicher als das Grönlándische, die Sprache der Skrælinger und
Eskimos. Aber gar manche Auslánder glauben gerade, wir seien nahe verwandt mit den
Eskimos und natúrlich auch in der Sprache.
Unsere gelehrten deutschen Freunde sind anderer Meinung. Denn unsere Literatur
beweist der Welt, daB wir keine Eskimos sind, sondern ein wirkliches Kulturvolk und
ein achtenswertes Volk in vielen Dingen, so klein es auch ist.
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