Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1925, Page 7
Der Sprengisandur ist der einzige Weg, den wir gern gemacht hiltten und aufgaben,
■Weil wir keine Pferde hatten. Sonst sind nur fur FluBilbergange Pferde manchmal
unentbehrlich, aber auch nur manchmal. Uns hat kein FluB ein Halt setzen können.
Im Notfalle sind iiberall Pferde nahe. Mehrmals haben wir Flússe an Stellen iiber-
schritten, an denen Pferde nicht hindurchkommen (bei Triebsand, Lavaboden, Steil-
ufer). Ja, bei dem Heimholen der Schafe und Pferde im Herbst aus dem Gebirge (siehe
S. 6z) muBten wir oft vom Pferde steigen und vorauswaten, wenn wir úber Sumpf-
báche oder Bache mit eingeschneiten Ufern wollten.
Hat man Pferde, so braucht man auch einen Fúhrer, denn zu Pferde kann sich nur ein
Ortskundiger in Gebiete mit schlechten Wegen oder ohne Wege hinauswagen. Braucht
sich der Reisende nun um nichts mehr zu sorgen, weil er alle Sorge auf den Fúhrer
Werfen kann, so wird er sich auch nicht mehr um alles kúmmern, was um ihn ist und
vor sich geht. Die Beobachtung wird an Wachheit schnell verlieren. Wer dagegen
fúhrerlos wandert, muji immer Augen und Ohren offenhalten, er niufl mit der Bevölke-
rung Uberall Fúhlung nehmen; denn sie allein kann ihm die Wege sagen, die er nicht
kennt, die Schwierigkeiten, um die der Fúhrer den Reiter herumfúhren mag, ohne daB
er von ilinen erfahrt. Was der FUhrer dem Reisenden an geschichtlichen und geo-
graphischen Kenntnissen vermittelt, ist meist oberflachlich und sehr dúnn. Der islan-
dische Bauer kann das durchweg viel besser, weil es fúr ihn mehr ist als Wissen, weil
es um seine Heimat geht, an der er mit ganzem Herzen hangt, die er von Kind auf
kennt. Und er erzahlt meist gern, weil es ihn freut, beim Fremden Interesse fúr seine
Heimat zu finden.
Zum SchluB möchte ich darauf hinweisen, daB man die Schönheiten am vollsten
genieBt, die Bilder am festesten in sich aufnimmt, die einen Anstrengungen und Ge-
fahren gekostet haben. Und den Stolz, sich etwas erobert zu haben, wird dcr nicht
kennen, der den Hufspuren seines Fúhrers nachreitet.
Ich komme auf unsere Wanderungen zurúck. In der zweiten Junihalíte 1923 ging
ich durch Skagafjörður, Húnavatnssýsla, Borgarfjörður und Kjós nach Reykjavík.
Hort empfing ich meine aus Deutschland kommenden Kameraden Reinhard Prinz
und Walter Lorenz. Wir traten von Reykjavík gleich unsere gemeinsame Wanderung
an. Zu unserer AusrUstung, die wir im Rucksack trugen, gehörte ein kleines Zelt.
Lingvellir, Skálholt, Hekla, Geysir, Gullfoss waren die ersten Etappen. Aus den Bis-
kupstungur ging es dann in 7r/2 Tagen (17.—24. Juli) tiber den Kjalvegur1 ins Nord-
Hnd. Anhaltender strömender Regen hielt uns drei Tage und Núchte (19.—22. Juli)
111 der ausgezeichneten neuen SchutzhUtte an den heiBen Quellen von Hveravellir fest.
Am 22. Juli gingen wir uber die berUchtigte Blanda und kamen an die Hútte an den
Aðalmannsvötn8. Am Vormittag des 24. Juli erreichten wir den Pfarrhof Mælifell
lni Skagafjörður und lieBen uns die gute Pflege bei den Pfarrersleuten gern gefallen,
'lVle Uberhaupt die Bauern und Pfarrer im Skagafjörður uns ganz hervorragende Gast-
freundschaft erwiesen liaben, wie sonst in dem MaBe nur noch die Bauern der Vestur-
^kaptafellssýsla. Gastfrei waren die Islander úberall.
Hber das alte bischöfliche Hólar und die wirklich liöllenmáBige Heljardalsheiði
(der Weg ftihrt tiber breite Firnfelder) kamen wir in den Svarfaðardalur und Anfang
August nach Akureyri, das mir eine zweite Heimat geworden war.
Von Akureyri gingen Reinhard Prinz und ich allein weiter nach Osten, in den Bár-
dardalur und an den Aldeyjarfoss (rund 10 km súdlich Lundarbrekkaim Skjálfandafljót),
Der Kjalvegur ist 1921 neu mit Wegwarten versehen (nývarðaður), die so dicht stehen,
man ihnen auch im Nebel gut nachgehen kann, wie wir es getan liaben. Die Warten
gehen aus den Biskupstungur nach Mælifell im Skagafjörður. 2 Es ist nur ein See,
'Vle wir mit Sicherheit festgestellt haben. Der Name — vötn (= .Seen’, Mehrzahl)
scheint die Kartenzeichner (Thoroddsen und seinen Nachzeichner D. Bruun) irregefuhrt
211 haben. Der See liegt um ein Betráchtliches sUdlicher, als die Karten angeben.
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