Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1925, Qupperneq 18
Der Bauer mag ein geniigsamer Mann gewesen sein; denn ihm war das alles so recht,
und er hatte es, solange er sich erinnern konnte, nicht anders gewiinscht. Oder war
er nur mit der richtigen Einsicht gesegnet? Denn ihm íehlte wirklich nichts. Seine
Wiesen waren iippig genug, seine Mooserde desgleichen. Seine Kiihe kamen das eine
Mal wie das andere íett und freudig aus ihrem Stalle, wenn es wieder Friihjalir wurde,
schlugen mit den Schwánzen, sprangen lustig herum und brullten vor t)bermut so
vergniiglich, wie es nur zu wiinschen war. Auch gediehen ihm seine Schafe; es waren
freilich keine groCen Herden, aber immerhin doch genug, um dem Bauern all die Freude
zu bereiten, die er nötig hatte, und sowie das erste Griin die Abhange des Tales zu
farben begann, konnte man sie von dem Hofe aus sehen wie weifie und bunte Flecke in
den Bergen; zuweilen vernahm man auch ihr Blöken ganz deutlich in dem Hauch, der
frisch vom Berge herstrich und nach jungem Gras und feuchter Erde roch. . . .
Aber auf dem Gemeindefriedhof hatte der Bauer drei kleine Knaben, an die er jeden
Abend dachte, wenn er sich schlafen legte, und jeden Morgen, wenn er beim ersten
Tagesschein auf die Wiese hinausging und die Sense iiber der Schulter trug. . . . Da-
heim blieb ihm noch ein Töchterchen, das abends auf seinen Knien stand, wenn er wieder
von der Arbeit heimgekehrt war, und seinen Bart zupfte und seine Nase kniff und wie
eine lustige Drossel pfiff, so daB er dabei seine Mtidigkeit vergaB und ihm der Abend
nur zu kurz wurde. Des Morgens aber, wenn die Sonne in die Stube schien, schlief
es in seinem Bettchen und lachelte im Traume. Dann wurde dem Bauern so lustig und
leicht zu Mute, daB er am liebsten hatte singen mögen, und er sang auch auf seine
Weise —: in Gedanken. Er war nicht einer von jenen, die laut singen.
Jahre vergingen. Das Töchterchen lief schon herum auf der Wiese oder am Berg-
hang und schmtickte seinen Hals mit Löwenzahnketten und sein Haar mit Veilchen
und Butterblumen. Es hatte blaue Augen, in denen die Sonne immer zu leuchten
schien, und seine Backchen waren so rot, daB Vater und Mutter sie ihre Rosen nannten-
Sein Stimmchen war so fein wie das einer Walddrossel. Wo es stand und ging, da
stand und ging auch die Freude selbst.
Dann aber kamen eines Tages auf den Hof zwei böse Gaste. Ein Mann der eine, von
hohem Wuchs, das Gesicht unkenntlich, von einem groBen, schwarzen Hut vollkomrnen
úberschattet. Seine Gefahrtin, eine lange díirre Frau, die gebuckt ging und bei jedem
Schritt hinkte. Auch ihr Gesicht erkannte keiner, da sie ein kohlschwarzes Kopftuch
trug, obwohl es mitten im warmsten Sommer war. Sonderbare Gaste waren das, schein-
bar auf der Suche nach Arbeit; denn der Mann hatte eine Sense bei sich und seine Be-
gleiterin einen Rechen, der so schwarz war, als ob er beruBt sei. Allerdings — dienst-
eifrige Geister schienen es zu sein; denn ohne BegrilBung fing der Mann an, schweigend
die Wiese abzumáhen. Hinter ihm rechte die Frau, und wo sie rechte, schien d»e
Erde zu bluten. . . .
Es war der Tod, jener eifrige Máher, und die Recherin niemand anders als seine alte
Begleiterin, die Frau Sorge. —
Nach diesem Sommer kam ein trauriger Herbst. Der Bauer saB einsam in seinem
Háuschen und starrte gedankenvoll durchs Fenster hinaus ins Tal. Da mag er denn
auch empfunden haben, daB es dort nicht viel zu sehen gab auBer dem Gebirge und
dem Himmel daruber. — Auf seinem SchoBe saB das Töchterchen und weinte im
Schlaf; denn nun war auch die liebe Mutter nach dem Friedhof gegangen — zu ihren
drei Knaben. ...
Jahre vergingen. Der Bauer hatte seinen Hof verlassen und war nach einer fernen
Gegend gezogen, — weit fort bis an das Meer. Das Töchterchen aber kam zu fremden
Menschen, die ihm nicht gut waren. Da weinte es oft und dachte an die liebe Mutter
und an die drei Briiderchen auf dem Friedhof und auch an seinen Vater, der da
drauBen irgendwo am Meere lebte. Der Bauer freilich vermeinte, es guten Menschen
anvertraut zu haben, und wuBte nichts von seinem Leid.
Dann sagte eines Tages jemand zu ihm: „Mach’ dich doch einmal auf und besuche
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