Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Side 12

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.09.1934, Side 12
Als er eine Zeitlang in óseyri am Axlarfjördur den Kommunismus gepredigt hat und selber getreu der Lehre wie einer aus der Masse in der Masse und fiir die Masse gelebt hat, da wird er so ergriffen von starker Liebe zu Salka-Valka, daB seine Gesellschaftsidee zusammenbricht vor der Macht des Einzeldaseins, dessen Wille und Bediirfnis zu ihm spricht aus seinem Blut, aus seiner Liebe und aus dem Tod der Menschen. So binden sich die beiden in starker Liebe, die unzer- reifibar scheint. Desto schwerer wird der Schmerz, als die unumgángliche Prii- fung kommt: der Gedankenflug hat nur eine kurze Spanne lang Schritt halten können mit der Wirklichkeit. Úbrigens liegt dieser Abschnitt uber die fruhlings- suBe Liebe zwischen Arnaldur und Salka-Valka wie eine Oase in der grauen Schilderung der Wirklichkeit, die der eigentliche Gegenstand des Buches ist. In Arnaldur hat Halldór Kiljan Laxness sich selbst gezeichnet als den Zweifelsúch- tigen und dadurch innerlich richtungslosen Grúbler. So hell und klar die Liebe zwischen Salka-Valka und Arnaldur ist, so unheil- voll und schicksalsschwer ist die Anziehungskraft, die Steindor ausúbt. Das Mád- chen hat sich von Anfang an dagegen gewehrt, obwohl dieser Kampf ihr manch- mal hart geworden ist. Sie hat den Mann von Anfang an gehaBt, obwohl seine starke Leidenschaft sie mehr als einmal zu úberwáltigen gedroht hat. Am gefáhr- lichsten wird Steindor ihr, als er sie glauben machen kann, er habe ihr Bild in seinem Herzen getragen und ihretwegen alle möglichen Schwierigkeiten auf sich genommen. Da glaubt sie ihm etwas schuldig zu sein und sie ist die Letzte, die ihren Verpflichtungen ausweicht. Als sich dies aber als falsch erweist, ist sie wieder frei und stark ihm gegenúber. Steindor ist eine der merkwúrdigsten Personen des ganzen Buches. Er ist der ungeschlachte Held ungebándigter Urkráfte, eine Art Naturmacht oder Erd- geist; er ist an die Förde mit ihrem Wind und Wetter gebunden wie der Baum an das Erdreich, in dem er wurzelt. Und diese ursprunghaften Kráfte leben sich nicht nur aus in den gewöhnlichen Streichen und Liebschaften, sie kommen auch auf eine ganz ungewöhnliche Art zum Ausdruck, in dichterischem Gedankenflug, der ihn sein eigenes Wesen erkennen und rechtfertigen láBt und ihn zum Mittel- punkt dieses Kústenortes macht, und dann wieder in einer kindhaften Weichheit, die ihn dem Willen der Salka-Valka unterwirft, so daB sie dieses wilde Herz manchmal gebándigt zu haben scheint. In Steindor wirken irgendwelche Úber- reste des Nietzscheschen Úbermenschen, aber das hindert ihn nicht, sich zugleich wie ein Kind und wie ein Landstreicher zu gebárden, und so haltlos ist er im Innersten, daB er immer ausweicht, wenn das Leben Rechenschaft fordert. Das Unnatúrhchste an dieser Gestalt ist aber wohl der Widerspruch, daB eine so ur- sprúngliche Kraft sich ihrer selbst in dem MaBe bewuBt sein soll. Das trennt ihn scharf von Salka-Valka, die auf ihre Art gleich ursprúnglich und erdgebunden 76

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